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«Ohrendoktor» zum Abschied auf der Palme

Von BEATE LINDNER 31.10.2008, 15:21

SANGERHAUSEN/MZ. - Da informierte ihn sein Nachfolger, der schon am Montag die Praxis in der Sangerhäuser Hüttenstraße übernimmt, dass alle Patienten, die in diesem Quartal schon mal in der Praxis waren und noch einmal kommen müssen, erneut eine Überweisung benötigen. "Da freut man sich, dass es nahtlos weitergeht und dann so etwas."

Spindler ist sauer und zornig. Theoretisch müsse er nun an seinem letzten Praxistag 460 Überweisungen ausstellen. So viele Patienten hat er in diesem Quartal schon behandelt. Kommen diese Patienten ohne Überweisung zu seinem Nachfolger zahlen sie nochmals zehn Euro Praxisgebühr, so wollen es wohl die Vorschriften, wie der 69-Jährige nun erfuhr. So etwas bringt den "Ohrendoktor" auf die Palme.

Aus Thüringen war der junge Arzt einst gekommen, hat 17 Jahre in Roßla gearbeitet und später im Krankenhaus in Sangerhausen. Dort hat er die HNO-Station mit aufgebaut und auch nach der Wende lange versucht, das funktionierende medizinische System zu erhalten. Eine eigene Niederlassung war keineswegs sein vordringlichstes Ziel als sich die politischen Dinge änderten, aber am Ende war die eigene Praxis die einzige Lösung, um den Patienten treu bleiben zu können.

Und so wurde er als Selbständiger auch nicht müde, den Kampf um die Belegbetten im Krankenhaus auszufechten. Auch das war er irgendwie seinen Patienten schuldig. "Ich hätte sehr gern auch noch ein bisschen weitergemacht im Krankenhaus", so der Hals-, Nasen- Ohrenarzt, "aber die Bürokratie weiß das zu verhindern."

Trotzdem: Ganz verloren geht er seinen Patienten schließlich nicht. Am kommenden Montag geht es mit seinem Nachfolger in der Praxis nahtlos weiter. Und die Mittwochssprechstunde in seiner dann ehemaligen Praxis - so haben es Vorgänger und Nachfolger vereinbart - wird Dr. Spindler die erste Zeit übernehmen und die Arbeit im Hörgerätezentrum geht auch weiter.

Ob es ruhiger wird bzw. werden soll im Leben des Volkmar Spindler wagt man zu bezweifeln. Entspannter auf alle Fälle, denn der Doktor war einer, der "immer für die Leute da war", so sagt er selbst und erinnert sich an ungezählte Noteinsätze, auch mitten in der Nacht.

Ab sofort darf es ein bisschen privater zugehen. Verdientermaßen mit über 40 Dienst- und 69 Lebensjahren. Und es lohnt sich bei vier Enkelkindern auf jeden Fall.