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Bundestagswahl 2021 Nur 202 Stimmen Vorsprung: AfD-Mann Farle entscheidet Wahlkreis Mansfeld knapp für sich

Robert Farle sah wie der sichere Sieger im Kampf um das Direktmandat aus. Doch dann kamen die Briefwahlstimmen – und es entspann sich ein Dreikampf.

Von Robert Briest und Joel Stubert Aktualisiert: 27.09.2021, 01:17
Der Sieger: Robert Farle zieht erstmals in den Bundestag ein.
Der Sieger: Robert Farle zieht erstmals in den Bundestag ein. (Foto: Maik Schumann)

Sangerhausen/Merseburg - Hollywood hätte das Drehbuch für den Wahlabend im Wahlkreis Sangerhausen-Merseburg (74) nicht packender schreiben können. Bis in den späten Abend hinein herrschte Hochspannung, wer denn nun den Dreikampf um das Direktmandat gewinnen würde. Es war ein höchst ungewöhnlicher Wahlabend. Denn gegen 20.45 Uhr schien Robert Farle schon wie der sichere Sieger im Wahlkreis 74.

Die Mehrzahl der Wahlbezirke war ausgezählt und der AfD-Kandidat führte mit fünf beziehungsweise sieben Prozentpunkten vor seinen Kontrahenten Torsten Schweiger (CDU) und Katrin Budde (SPD). SPD-Landeschef Andreas Schmidt barmte schon mit Blick auf die Zahlen: „Das Ergebnis ist ein schlechter Tag für den Wahlkreis. Robert Farle ist ein Sprücheklopfer, der nichts tun wird.“

Da aus dem Dreikampf um das Direktmandat irgendwann ein Zweikampf geworden war, musste Katrin Budde (SPD) auf die Landesliste hoffen

Doch die noch fehlenden Stimmbezirke waren vor allem die Briefwähler und die brachten das Ergebnis noch einmal mächtig ins Rutschen. 21.15 Uhr war Farles Vorsprung bereits auf unter 1,5 Prozentpunkte geschrumpft. 22.30 Uhr trennten ihn und Schweiger nur noch 0,05 Prozentpunkte bei noch 17 offenen Wahllokalen. Dann Gleichstand. Am Ende fehlte nur noch eine Briefwahllokal aus Merseburg. 23.40 war auch dort die Auszählung durch und das Ergebnis stand: Der bisherige Landtagsabgeordnete Farle zieht mit weniger als 0,2 Prozentpunkten, 202 Stimmen, Vorsprung in den Bundestag ein. Für Schweiger ist das Abenteuer Berlin dagegen wohl nach einer Legislatur vorbei. Chancen über die Liste hat er kaum.

Da aus dem Dreikampf um das Direktmandat irgendwann ein Zweikampf geworden war, musste Katrin Budde auf die Landesliste hoffen. Die Voraussetzungen waren gut, dann bei den Zweitstimmen ließ die SPD zumindest im Wahlkreis 74 alle anderen Parteien hinter sich. Auch auf Landesebene zeichnete sich ein starkes Ergebnis ab, das den Sozialdemokraten sogar fünf Mandate aus Sachsen-Anhalt bescheren würde. Trotz dreier Direktmandate von Parteifreunden in anderen Wahlkreisen würde dies für Budde für eine zweite Legislatur in Berlin reichen. Angesichts der viele Unwägbarkeiten wollte sie sich am Abend aber nicht ausführlich äußern, sagte lediglich: „Wir haben erstaunlich viel für die Sozialdemokraten aufgeholt. Jetzt müssen wir gucken, ob es mit einem Mandat belohnt wird.“

Bei der Linken im Saalekreis herrschte dagegen kurz nach 18 Uhr bereits Katerstimmung.

Einen relativ entspannten Abend verlebte dagegen FDP-Kandidat Ingo Bodtke. Angesichts seines guten Listenplatz zwei durfte er sich bereits relativ früh nach Schließung der Wahllokale sicher sein, es in den Bundestag geschafft zu haben - denn das starke Zweitstimmenergebnis der FDP im Bund färbte auch auf Sachsen-Anhalt ab. „Ich freue mich über das Ergebnis“, sagte Bodtke am Abend und bedankte sich für das Vertrauen der Wähler. Bereits am Montag habe er einen Termin in der Berliner FDP-Fraktion. „Für mich beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt“, blickte der Wimmelburger voraus. Der Wahlkampf habe ihm bei aller Anstrengung Spaß gemacht.

Bei der Linken im Saalekreis herrschte dagegen kurz nach 18 Uhr bereits Katerstimmung. Die Partei einst im Osten auf Zustimmungswerten einer Volkspartei bangte um den Wiedereinzug in den Bundestag. „Das ist schon heftig“, kommentierte die Landtagsabgeordnete Kerstin Eisenreich. „Es ist eine schwere Niederlage, aber wir werden weitermachen.“ Nun gelte es solidarisch aufzuarbeiten, woran es gelegen hat. Eine These hatte Eisenreich bereits: „Ähnlich wie bei der Landtagswahl gab es einen polarisierten Wahlkampf. Das ging zu Lasten der kleinen Parteien.“ Vor allem der Linken, die mit SPD und Grünen gleich zwei Konkurrenten hatten im linken Lager hatten, die durch den Kanzlerdreikampf viel Aufmerksamkeit bekamen. Das zeigte sich auch bei den Erststimmen. Hier kam Direktkandidat Daniel Feuerberg nur auf knapp zehn Prozent. Vor vier Jahren hatte sein Vorgänger Alexander Sorge noch 18 Prozent geholt.

Von den Verlusten der Linken profitiert im Süden des Landes aber vor allem die SPD. Grünen-Kandidat Mika-Sören Erdmann wurde mit 2,9 Prozent am Ende sogar hinter der Bewerberin der Freien Wähler Sarah Biedermann nur Siebter im Wahlkreis. Auch der für die der Querdenker-Bewegung nahestehenden Basis antretende Merseburger Pierre Kynast lag nur knapp dahinter.