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Neustart für Industriepark? Neustart für Industriepark?: Stadt will zusätzliche Hamsterschutzfläche schaffen

Von Frank Schedwill 05.12.2017, 05:00
Im Moment tut sich nichts auf der Fläche des Industrieparks. Damit sich das ändert, gibt es neue Pläne der Verwaltung.
Im Moment tut sich nichts auf der Fläche des Industrieparks. Damit sich das ändert, gibt es neue Pläne der Verwaltung. Archiv/Schumann

Sangerhausen - Die Stadt Sangerhausen plant eine Art Neustart in Sachen Industriepark Mitteldeutschland (IPM). Auf der Tagesordnung der Ratssitzung am kommenden Donnerstag steht ein Vorschlag der Stadtverwaltung. Danach soll der vorliegende Bebauungsplan für die Fläche erweitert und überarbeitet werden.

Zu dem rund 150 Hektar großen Industriegebiet soll so eine sogenannte Hamsterschutzfläche von 110 Hektar hinzukommen. Über die Hamsterschutzfläche würden die Erschließungsleitungen für den IPM verlaufen, ansonsten soll sie nur landwirtschaftlich genutzt und nicht bebaut werden. Ziel der Aktion ist es, dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und anderen Umweltverbänden entgegenzukommen, die den IPM aus Gründen des Artenschutzes sehr kritisch sehen.

Allerdings ist die Überarbeitung der Pläne teuer: Die Stadt gibt die Kosten mit insgesamt etwa 150.000 Euro an. Stimmt der Rat zu, soll die Summe in den Haushalt für nächstes Jahr eingestellt werden.

Auf der Fläche des geplanten Industrieparks lebt die Sangerhäuser Kernpopulation der streng geschützten Feldhamster

„Der Vorschlag ist ein Angebot an die Umweltverbände. Wir zeigen, dass wir die artenschutzrechtlichen Probleme sehr ernst nehmen“, sagte Rainer Hahnemann, der amtierende Leiter des Fachbereichs Stadtentwicklung und Bauen, jetzt im städtischen Finanzausschuss. Dort wurde das Thema bereits diskutiert. Auf der Fläche des geplanten Industrieparks lebt nach Angaben der Umweltverbände die Sangerhäuser Kernpopulation der streng geschützten Feldhamster.

Die Stadt will außerdem versuchen, Vorabstimmungen mit dem BUND und dem Naturschutzbund (Nabu) zu treffen, um die Planungsphase zu beschleunigen. Ein weiteres Ziel der Stadt ist es, die Umweltverbände zu einem Verzicht auf eine Klage gegen den Industriepark zu bewegen, betonte Hahnemann.

Ob es sinnvoll ist, den Bebauungsplan zu überarbeiten, ist aber umstritten: Holger Hüttel (Linke), Harald Koch (fraktionslos) und Harald Oster (FDP) kritisierten im Finanzausschuss das Vorhaben. Sie rieten dazu, stattdessen die Notbremse zu ziehen. „Es ist seit zehn Jahren nicht gelungen, Baurecht für die Fläche zu schaffen“, sagte Hüttel.

Die Rosenstadt ist offenbar nicht die einzige Kommune in Deutschland, der die geschützten Feldhamster Kopfzerbrechen bereiten. Auch im hessischen Hanau protestieren  Naturschützer gegen ein geplantes Bauvorhaben auf einem Gelände, auf dem Feldhamster nachgewiesen wurden.

In einer Mail an die MZ-Redaktion macht die „Interessengemeinschaft Bauvorhaben Mittelbuchen Nordwest“ auf eine Online-Petition aufmerksam, die man auf der Internet-Plattform OpenPetition gestartet hat. Dort werden Unterschriften gegen das Bauvorhaben gesammelt.

In Hanau Mittelbuchen will ein privater Investor ein Neubaugebiet erschließen. Auf rund vier Hektar Fläche sollen Häuser mit insgesamt 123 Wohneinheiten entstehen.

Die Kommune plant die Umsiedlung der Feldhamster, Aktivisten der Arbeitsgemeinschaft Feldhamsterschutz der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz halten diese Maßnahme für nicht geeignet, um den Bestand der Hamsterpopulation zu erhalten. Man sei „fassungslos über die aktuell geplanten Vorhaben“, heißt es. (pom)

Er erinnerte auch an die Folgekosten, die der Industriepark nach sich ziehen würde. Die Stadt beziffert diese auf zehn bis 15 Millionen Euro, die für den Grunderwerb, die Anbindung des Geländes an die Landesstraße 221, den Neubau einer Brücke, die archäologische Untersuchung der Fläche und vieles andere mehr notwendig würden.

Pläne der Stadtverwaltung zum Industriepark stoßen auf Pro und Kontra bei Räten

Oster sprach sogar von einer „konzeptionellen Totgeburt“. Er betonte, man solle den bisherigen Flächennutzungsplan veröffentlichen und dann abwarten, ob die Umweltverbände klagen und auch den Blick auf andere Flächen werfen. „Es gibt Alternativen“ sagte er. Durch die geforderte hamsterfreundliche Bewirtschaftung komme man ohnehin auf Quadratmeterpreise von 20 bis 30 Euro im IPM, schätzt Oster.

„Welcher Unternehmer wird das bezahlen?“ Er riet, die 150.000 Euro, die für die Überarbeitung gedacht sind, eher dazu zu nutzen, andere Gewerbefläche zu entwickeln. „Die Stadt sollte aufhören, mit dem IPM tote Pferde zu reiten.“

Klaus Kotzur sieht die Stadt allein mit dem IPM überfordert

Klaus Kotzur (Linke) sprach sich dagegen klar für den Industriepark aus. Das Vorhaben sei für die gesamte Region wichtig, um Arbeitsplätze zu schaffen. Allerdings gehöre die Landesregierung mit ins Boot. Sangerhausen sei mit dem IPM allein überfordert. Im benachbarten Thüringen ist beispielsweise die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) für derartige Projekte zuständig. Vor den Toren Nordhausens hat sie das 100 Hektar große Industriegebiet „Goldene Aue“ entwickelt und versucht jetzt, Investoren für diese Fläche zu finden.

Für Oberbürgermeister Sven Strauß (SPD) ist es jedoch keine Option, mit dem Industriepark auf ein anderes Gelände auszuweichen. Zum einen sei die jetzige IPM-Fläche in der Landesplanung verankert. Zum anderen würde man nach zehn Jahren wieder ganz am Anfang stehen. Nicht zuletzt seien bereits rund 80.000 Euro für Gutachten, Anwalts- und Gerichtskosten ausgegeben.

Zudem gehöre der Stadt bereits der Großteil der IPM-Fläche. „Und das Problem mit den Hamster gibt es rund um Sangerhausen überall“, sagt Strauß. Die Entscheidung fällt nun am Donnerstag im Stadtrat.

Die Sitzung des Stadtrates Sangerhausen beginnt um 16 Uhr in der Aula der Grundschule Südwest. Sie ist öffentlich. Gegen 17 Uhr gibt es eine Einwohnerfragestunde. (mz)