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Natur Natur: Drama im Storchennest

Von STEFFI ROHLAND UND FRANK SCHEDWILL 30.05.2013, 18:28
In Martinsrieth ist im Gegensatz zu Görsbach die Storchenwelt noch in Ordnung: Nach über 50 Jahren haben sich in dem Ort wieder Störche angesiedelt. Sie brüten auf einem Gittermast.
In Martinsrieth ist im Gegensatz zu Görsbach die Storchenwelt noch in Ordnung: Nach über 50 Jahren haben sich in dem Ort wieder Störche angesiedelt. Sie brüten auf einem Gittermast. STEFFI ROHLAND Lizenz

MARTINSRIETH/BRÜCKEN/MZ - Die kühlen und regnerischen Tage machen der heimischen Vogelwelt das Leben schwer: Im Bergaer Nachbarort Görsbach kam es vor wenigen Tagen zu einem Drama bei den Störchen, die auf dem Schornstein der alten Bäckerei brüteten. Sechs Jungtiere sind dort verendet. „Die fünf bereits geschlüpften Vögel waren aufgrund des Wetters so geschwächt, dass sie kein Futter mehr angenommen haben“, sagte Andreas Rzehak, der sich seit Jahren in dem Ort um die Tiere kümmert und weithin als Görsbachs „Storchenvater“ bekannt ist. Obwohl die Küken tot waren, haben sich die Altstörche weiter auf sie gesetzt.

„Im Nest lag noch das sechste Ei, und das Jungtier ist tatsächlich geschlüpft“, so Rzehak. Da aber das Nistmaterial mittlerweile auch total durchnässt war, ist das Junge ebenfalls gestorben. Erst danach hätten die Altstörche aufgeräumt und alle Jungen aus dem Nest geworfen. Die Kadaver wurden an das Nordhäuser Veterinäramt übergeben. Wenn es noch möglich ist, soll so die genaue Todesursache geklärt werden. „Ein schwarzes Jahr für unsere Störche“, kommentierte Rzehak. „Kein Nachwuchs, aber sie bleiben zumindest ihrem Nest treu.“ Die Tiere verweilten jetzt Tag und Nacht zum Ausruhen auf dem Horst. Nun hoffen die Einwohner in Brücken und Martinsrieth, dass es in den Nestern ihrer Adebare nicht ebenfalls zu solch tragischen Zwischenfällen kommt.

Seit Jahren haben die Einwohner in Brücken ein Auge auf das Zuhause ihrer Storchenfamilie. Die zeitig aus Afrika zurückgekehrte Störchin brachte in diesem Jahr einen neuen Partner mit. Mit diesem hatte sie sich auch gepaart und offensichtlich bereits Eier im Nest. Allerdings wurde das Paar am Samstag, 13. April, nicht nur durch Baumfällarbeiten in der Nähe gestört. Es kam offensichtlich auch der frühere Storchenmann etwas verspätet aus Afrika zurück. Anwohner beobachteten eine längere Auseinandersetzung zwischen den Störchen, wobei der zuletzt gekommene Storch am Ende Sieger blieb. Noch am selben Tag paarte er sich mit dem Weibchen. Das daraus entstandene Gelege wird nun bebrütet. Vielleicht hat das Storchenpaar mehr Glück mit dem Wetter, wenn die Jungen schlüpfen.

Während das Storchennest auf der Kirche in Katharinenrieth auch in diesem Jahr verwaist blieb, hat sich in Martinsrieth nach über 50 Jahren erstmals wieder ein Storchenpaar angesiedelt und brütet offensichtlich. Nachdem Ende der 50er Jahre bei Dacharbeiten im Ort das letzte Storchennest entfernt wurde, gab es über Jahrzehnte kein Interesse der großen Vögel an einem Nistplatz. Erst in diesem Frühjahr fand eine Lkw-Felge auf einem Gittermast das Interesse eines Storches. Die Martinsriether reagierten sofort, legten Reisig darauf, und der Storch begann seinen Horst zu bauen.

Die Tiere versuchen nun, bei dem Regenwetter zu überleben. Aber nicht nur bei den Störchen schlägt das Wetter zu: Besonders schwer haben es Vögel, die ihre Nahrung in der Luft jagen. Viele Mehlschwalben haben ihre erste Brut notgedrungen aus dem Nest geworfen. Aber auch die Verluste bei den Alttieren sind höher. So erklärt der Ornithologe Harald Bock vom Biosphärenreservat „Karstlandschaft Südharz“: „Aufgrund des kalten Wetters und Regens müssen die Rauchschwalben, Mehlschwalben und Mauersegler bei der Jagd nach Insekten sehr tief fliegen. So kam es auf den Straßen gehäuft zu Kollisionen mit Autos.“ Komme ein Partner um, werde es für Einzeltiere noch schwerer, Jungtiere allein großzuziehen.

Auch die jungen Rauchschwalben schieben an den Regentagen Kohldampf, obwohl das Elternpaar pausenlos auf Jagd nach Insekten ist.
Auch die jungen Rauchschwalben schieben an den Regentagen Kohldampf, obwohl das Elternpaar pausenlos auf Jagd nach Insekten ist.
Steffi ROHLAND Lizenz