Natalie vom Zauber der Musik gefesselt
SANGERHAUSEN/MZ. - Pauken und Trompeten zerrissen die Spannung, die sich allmählich über die gesamte Jacobikirche in Sangerhausen gelegt hatte. "Jauchzet. Frohlocket. Auf preiset die Tage."
Mit diesen Worten beginnt das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Mit diesen Worten sangen sich am vergangenen Samstag die Sangerhäuser Chöre der Evangelischen und Katholischen Kantorei und der Jugendchor Cantus in ein beeindruckendes Konzert.
Klangvoll getragen von den Instrumentalisten des Andreas - Kammerorchesters Erfurt mit Dr. med. Albrecht Börner an der ersten Geige, Andreas Wesner an der Orgel und musikalisch einfühlsam erzählt von den Gesangssolisten Antja Kahn (Sopran), Heike Bader (Alt), Nils Gisecke (Tenor) und Ingo Witzke (Bass) konnten mit dieser Aufführung der Bach-Kantaten 1-3 des Weihnachtsoratoriums auch der größte Hektiker in der Vorweihnachtsstimmung ankommen.
Aus Bachs Sicht allerdings noch zu früh. Denn der Meister stellte den sechsteiligen Zyklus für die Weihnachtszeit 1734 / 35 mit der Absicht zusammen, die einzelnen Kantaten an den (einstmals drei!) Weihnachtsfeiertagen (25. / 26. / 27. Dezember), dem Neujahrstag, den Sonntag nach Neujahr und dem Epiphaniafest (6. Januar) aufzuführen.
Albert Schweizer fand für die moderne Verlagerung der Aufführungen in die Vorweihnachtszeit eine nachvollziehbare Erklärung, als er meinte, dass Zuhörer nach spätestens drei Teilen so erschlagen von der Musik seien, "dass sie die große Schönheit der Stücke nicht mehr richtig wahrnehmen" können.
Nicht erschlagen, aber doch atemlos schienen viele der über 400 Konzertbesucher zu lauschen, besonders als Solistin Heike Bader anhob, das Wiegenlied "Schlafe, mein Liebster" aus sich heraus in die hohen Hallen der Jacobikirche zu entlassen. Eben, schön, einfühlsam und andächtig. Rührung und Be-Rührung durften an diesem vorweihnachtlichen Spätnachmittag sein. So trat plötzlich die kleine Natalie Herrmann still aus ihrer Kirchenbank heraus, um mit unendlich gebanntem Blick dem Spiel eines Trompetensolos folgen zu können. Sichtlich beeindruckt zeigte sich Kantorin Martina Pohl von der Leistung der Chöre. "Es ist schön zu erleben, wie homogen sich die Chöre gefunden haben. Jeder singt solistisch und doch findet sich alles als Ganzes im Klang."
Hinter diesem Ganzen steckt harte, disziplinierte Arbeit. Zunächst in den jeweiligen Chorproben. Dann in der individuellen Übung jedes Sängers, jeder Sängerin im "stillen Kämmerlein". Bis sich alle in nur einer(!) Gesamtprobe finden müssen und unmittelbar vor der Aufführung mit der Generalprobe die Stunde der Wahrheit kommt: dann, wenn Orchester und Gesangssolisten dazu stoßen.
Dass es ein konzertantes Erlebnis wie das Weihnachtsoratorium in Sangerhausen geben konnte, ist vor allem den engagierten Choreinstudierungen durch Martina Pohl (Evangelische Kantorei), Andreas Wesner (Katholische Kantorei) sowie Manfred Kieling und Beate Pfeiffer (Jugendchor Cantus) zu danken.
Es war ein Konzerterlebnis der regionalen Kraft. Die es ermöglichte, nach 40 Jahren in einer ausreichend beheizten Jacobikirche wieder ein Weihnachtsoratorium aufzuführen. Eine Kraft, für die Pfarrer Johannes Müller dankende Worte fand.