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Martin Luthers Sterbehaus Martin Luthers Sterbehaus: Uralter Stadtplan hat stutzig gemacht

Von Burkhard Zemlin 16.11.2001, 18:24

Eisleben/MZ. - Mit der historischen Wahrheit ist das so eine Sache. Soll man sie der Allgemeinheit mitteilen oder ist es ausreichend, wenn lediglich ein paar Eingeweihte Bescheid wissen?

Was die jüngsten Veröffentlichungen zu Martin Luthers Sterbehaus betrifft, hat Dr. Franz Rämmele aus Helbra sehr zwiespältige Gefühle. Zur Erinnerung: Vor einigen Tagen hatte Dr. Eberhard Eigendorf mit der Mitteilung aufhorchen lassen, dass in Eisleben vor mehr als 100 Jahren irrtümlich das falsche Haus als Sterbehaus des Reformators eingerichtet wurde. Eigendorf, so hieß es, habe eine Arbeit geschrieben, die das nachweist. Der Text solle bei der nächsten Gelegenheit publiziert werden.

Rämmele steht Eigendorfs Vorhaben allerdings kritisch gegenüber, weil er der Ansicht ist, dass eine Veröffentlichung der Beweisführung das Image der Lutherstadt beschädigen würde. Gewiss, Eigendorf habe in der Sache Recht, sagt Rämmele, weil das heute bekannte Sterbehaus eben nicht das Haus sein kann, in dem der Reformator gestorben ist. Aber in diesem speziellen Fall hätte Eigendorf besser geschwiegen - wie Rämmele es schon so lange getan hat. "Ich habe versprochen, dass ich damit nicht an die Öffentlichkeit gehe", äußerte er vielsagend und bekannte, bereits seit Ende der 60-er Jahre über Luthers Sterbehaus Bescheid zu wissen. Damals war der heimatgeschichtlich interessierte Chemiker Leiter des Zentrallabors des Mansfeld-Kombinats. "Wir sollten damals ein Brigadetagebuch führen", meinte er rückschauend und fügte schmunzelnd hinzu, dass er die Aufgabe nicht eben als eine politische verstanden habe. Im Gegenteil. "Ich wollte weg von dem politischen Kram", sagte er, und so kam es, dass er sich mit der Geschichte des Zentrallabors beschäftigte und im Museum zu forschen begann. Dabei stieß er auf einen historischen Stadtplan, auf dem an Stelle von Luthers Sterbehaus kein Gebäude, sondern eine Straße eingetragen war. "Das erschien mir unsinnig", so Rämmele, der sich damals entschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Zeit hatte er ja eine ganze Menge. "Ich war an der Hand operiert und konnte nichts anderes tun", meinte er. Und so stieß er auf Hinweise zu Luthers Sterbehaus, die er in einem Aufsatz zusammenfasste. Das Manuskript übergab er dem Eisleber Museum zur Aufbewahrung, ferner dem Institut für Denkmalpflege und dem Archiv des Mansfeld-Kombinats. Überdies kursierte der Text im Zentrallabor, wo es bald unter den Mitarbeitern hieß: "Der Doktor hat nachgewiesen, dass Luther in der Kreisleitung gestorben ist." Denn Markt 56, das Rämmele ebenso wie Eigendorf als Sterbehaus des Reformators ansieht, war damals Sitz der SED-Kreisleitung Mansfeld-Kombinat. Und deren 1. Sekretär, Ernst Wied, reagierte prompt. Er ließ Rämmele zu sich bestellen und machte ihm klar, dass es bereits ein Sterbehaus Luthers gibt. Wieds aufgeregte Reaktion ist zu erklären: "Er hat es als Angriff auf die Partei betrachtet", so Rämmele und vermerkte, dass seinerzeit das offizielle Lutherbild der DDR noch sehr negativ gefärbt war. Der 1. Sekretär hätte sich die Aufregung sparen können, weil Rämmele gar nicht daran dachte, seine Arbeit publik zu machen. Um so bedauerlicher findet er es, dass jetzt ein anderer publizieren möchte.