Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Das Kollegium zieht zum Abschied den Hut
KELBRA/MZ. - Wilfried Graul sagte: "Ich bin hier an der Schule unheimlich gern gewesen. Ich hatte Angst vor diesem letzten Schultag."
Sein Körper wehrte sich so dagegen, dass er kurz vor Schuljahresende plötzlich krank wurde und sogar operiert werden musste. Deshalb konnte er am letzten Schultag nicht kommen. Natürlich ärgerte ihn das, nach Jahrzehnten ohne einen Tag krank gewesen zu sein. Nun freute er sich umso mehr, dass alle Kolleginnen und Kollegen, auch die längst pensionierten, seiner Einladung zum traditionellen Wildschweinbratenessen gefolgt waren.
Wie Ute Jungnickel berichtete, sagte der Chef immer, "die Schule sei sein zweites Zuhause". Im Namen des Kollegiums dankte sie ihm und verlas auch das Dankschreiben aus dem Landesverwaltungsamt. Sie hatte lange nach den passenden Worten gesucht, um die Achtung vor seinem Lebenswerk auszudrücken und fand es schließlich im Französischen: "Chapeau, Herr Graul (Hut ab!)." Zu den Abschiedsgeschenken gehören ein Baum mit vielen guten Wünschen der Schüler sowie ein Bild, das die Tür des Goethegymnasiums zeigt, die fürs "Chefchen" natürlich immer ein Stück geöffnet bleiben wird. Im Goethegymnasium in Kelbra begann sein Tagesablauf jeden Morgen mit einem Rundgang in der Schule. Schmunzelnd sagt er: "Ich genieße den Geruch der Schule und würde sofort in den Raum Nummer 35 gehen, um eine Mathestunde zu geben. Es war schön, Schulleiter des Goethegymnasiums zu sein." Er hatte nie eine andere berufliche Vorstellung als Lehrer zu werden. "Ich hatte einen ganz tollen Mathelehrer", erinnert er sich.
Rudolf Grohmanns Unterricht war sicher dafür ausschlaggebend, dass Wilfried Graul ebenfalls Mathe- und Physiklehrer wurde. Er war selbst Schüler an der Goetheschule in Kelbra, ging ab der 9. Klasse nach Bad Frankenhausen und legte dort das Abitur ab. Diesem schloss sich das Studium zum Diplomlehrer an der Pädagogischen Hochschule in Halle / Saale an. Das notwendige Schulpraktikum absolvierte er natürlich an "seiner" Schule in Kelbra. Am 1. September 1972 hat er dann als Lehrer in Berga angefangen, nachdem er eine Stelle in Bitterfeld abgelehnt hatte. "Ich wollte unbedingt hier arbeiten", sagt er. Mit seiner ersten Schulklasse, die er übernahm, hat er noch den engsten Kontakt. "Die waren nur knapp neun Jahre jünger als ich, und nicht die Einfachsten", erinnert er sich. "Aber es waren schöne zwei Jahre." Dann übernahm er zwei achte Klassen. Er wurde stellvertretender Schuldirektor, dann Chef. Ab 1. September 1983 übernahm er die Direktorenstelle an der POS in Roßla, damals eine der größten Schulen im Kreis Sangerhausen. Mit der Neugliederung des Schulsystems 1991 nutzte er die Chance, wieder nach Kelbra zu kommen, diesmal als Schulleiter des Goethegymnasiums.
Dort begann er mit einem Team von 21 Lehrern. 16 Jahrgänge mit rund 960 Schülern hat er in den zwanzig Jahren Goethegymnasium zum Abitur geführt. "Von den meisten Schülern kenne ich die ganz privaten Hintergründe", sagt Wilfried Graul. Von manchen Schülern hat er schon die Eltern oder die Großeltern unterrichtet. Sein Resümee lautet: "Ich bin unheimlich zufrieden und glücklich, dass ich das 39 Jahre machen durfte. Ich würde morgen wieder Lehramt studieren."
Die freie Zeit wird sich nach und nach füllen. Da seine Frau noch im Schuldienst arbeitet, wird der Urlaub nach wie vor an die Ferien gebunden sein. Urlaubsziele sind Skandinavien, Südtirol und in Deutschland die Ostsee. "Im Moment genieße ich noch, dass mir die Schule fehlt und meine Frau muss es aushalten", sagt er. "Die Zeit wird es bringen." Haus, Gartenarbeit und die Familie stehen im Moment im Vordergrund. Natürlich steht auch am Wochenende der Gang zum Fußballplatz für den ehemaligen aktiven Fußballer an. Die Schlüsselübergabe hätte er wohl gern unter der Überschrift Goethegymnasium vollzogen, seit Schuljahresbeginn ist die Schule jedoch ein Teil des Sangerhäuser Schollgymnasiums. "Aber ich bin froh, dass es eine Schule geblieben ist", sagt er. "Wir haben alles dafür getan. Der Schulhof und die Sportanlagen werden jetzt auch noch erneuert." Von der Begeisterung für seinen Beruf gab er dem Kollegium mit auf den Weg: "Ich wünsche Ihnen, dass sie möglichst viel Spaß an diesem herrlichen Beruf haben. Freuen Sie sich, dass sie Lehrer sein können."