Letzte Sprechstunde des Puppendoktors Letzte Sprechstunde des Puppendoktors: Nach 56 Jahren geht Günter Geier in Ruhestand

Sangerhausen - Jonas schaut mit großen Augen auf den Teddybär, streckt die Hände danach aus. Bis er ihn in die Arme nehmen kann, dauert es aber noch ein wenig. Der kleine Wallhäuser feiert am 25. Dezember seinen ersten Geburtstag. Wie alt der Teddybär ist? Gute 25 Jahre bestimmt. „Den hab ich von meiner Mutti zum sechsten Geburtstag bekommen“, erzählt die 31-jährige Katharina Große. „Und jetzt bekommt ihn Jonas von mir.“
Daran, dass der Teddy dann wieder richtig schön brummen kann, hat Günter Geier einen gewaltigen Anteil. Er ist Puppendoktor und an diesem Tag im Sangerhäuser E-Center zu Gast. Er repariert fleißig Puppen und Teddybären. Jonas’ Bärchen eine neue Stimme zu geben, ist für den 78-Jährigen kein Problem.
Ratzefatz, mit Nadel und Faden und einem Ersatzteil, das im Teddybär-Bauch verschwindet, ist die Operation Geschichte. „Beim Puppendoktor fließt kein Blut, hat mal einer geschrieben. Das stimmt ja auch“, erzählt Geier lachend.
Puppendoktor praktiziert zum letzten Mal im Sangerhäuser E-Center, danacht geht er in den Ruhestand
So ganz zum Lachen ist ihm allerdings an diesem Tag nicht. Immer mal wieder wird Geier nachdenklich, manche Sätze fallen ihm spürbar schwer, wenn er über seine Arbeit als Puppendoktor spricht. Denn die Reparaturdienste im Sangerhäuser E-Center werden die letzten ihrer Art sein. Der 78-Jährige geht in den Ruhestand. „Für mich ist endgültig Schluss, das habe ich meiner Frau in die Hand versprochen“, sagt er.
Dann erzählt er vom Beginn: „Gelernt habe ich eigentlich Schneider. Vor 56 Jahren habe ich dann aber angefangen, Puppen zu reparieren. Am Anfang war das nicht einfach, ich hatte zwei linke Hände.“ Nach und nach habe sich das aber eingespielt. „Ich habe zigtausende Puppen, Teddybären, Plüschtiere, Kuckucksuhren und selbst Porzellanteller repariert. Ich nehme mir Zeit für meine Kunden. Bei Doktor Geier fließen zwar auch Tränen, aber das sind dann Freudentränen“, fasst er zusammen.
Puppendoktor Günter Geier hat selbst in Australien und den USA Kunden
Selbst in Australien, Neuseeland oder den USA hat er Kundschaft, ganz zu schweigen von Europa. Und Deutschland? „Hier gibt es kaum einen Ort, an dem ich noch nicht war“, sagt er. Immer im Gepäck hat er Ersatzteile, gute 25.000 haben sich im Lauf der Jahre angesammelt, unzählige wurden von ihm eingebaut.
Doch das ist jetzt Vergangenheit. „Heute will keiner mehr Puppendoktor werden“, blickt er auf ein aussterbendes Gewerbe. Dabei, das zeigt sich auch in Sangerhausen, gebe es noch viel zu reparieren. Doch die Kundschaft ist, wie Puppen und Teddybären auch, in die Jahre gekommen. Mit den neueren, billigeren Spielzeugen kann sich Geier nur schwer anfreunden. „Jetzt gibt es viele Plüschtiere aus Fernost. Die sind oft gefährlich. Ich hatte sogar welche, da war Glaswolle drin“, schüttelt Günter Geier verständnislos den Kopf.
Für ihn sind Puppen und Bärchen keine seelenlosen Dinger. „Eine Puppe ist das pädagogisch wertvollste Spielzeug der Welt“, sagt er.
Am Freitag ist Günter Geier von 9 bis 18 Uhr im E-Center Sangerhausen zu Gast, am Samstag von 9 bis 14 Uhr. (mz)