Lernen ohne Mobbing Lernen ohne Mobbing: CJD-Förderschule feiert 25-jähriges Bestehen

Sangerhausen - Björn ist ein freundlicher Zehnjähriger mit kurzen blonden Haaren und einem fröhlichen Gesicht. Was er zu erzählen hat, passt nicht zu dem Bild, das man sich auf den ersten Blick von ihm macht. „In meiner alten Schule bin ich jeden Tag gehänselt und verprügelt worden“, sagt der Junge schlicht.
Schulprojekte mit Polizei und Feuerwehr
Heute kann er das so frank und frei sagen, denn in die Schule zu gehen, macht ihm wieder Spaß. Er mag Mathe und für das aktuelle Projekt mit der Polizei und der Feuerwehr ist der Junge regelrecht entflammt. Björn lernt seit einem Schuljahr nicht mehr an einer regulären Grundschule, sondern an der Förderschule für geistige Entwicklung des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschlands (CJD).
Maria ist schon 20 Jahre alt. Die junge Rollstuhlfahrerin weiß genau, wie es sich anfühlt, wenn man in seiner Klasse nicht gemocht und ausgegrenzt wird. Verständnisvoll hört sie zu, als Björn über seine Erlebnisse erzählt. „Ich bin auch gemobbt worden“, sagt die junge Frau. „Weil ich anders bin, haben meine Klassenkameraden mein Gesicht aus Klassenfotos ausradiert und haben mich bedroht. Sie haben mir gesagt, dass ich nicht zu ihnen gehöre, dass ich verschwinden soll.“
Morgens aufstehen, um in die Schule zu gehen, sei für sie Tag für Tag mehr zum Martyrium geworden. „Meine Schwester war eigentlich nur noch krank“, erinnert sich Yvonne Bethge. „Und das war nicht körperlich, sondern nur psychisch.“
Der Kinderarzt riet Marias Mutter dringend zum Schulwechsel. Damals ging Maria in die 8. Klasse einer Schule speziell für körperbehinderte Kinder und Jugendliche. „Aber zum Glück bin ich nun hier beim CJD“, sagt die junge Frau. Die Namen der Schulen, die die beiden besucht haben, sollen an dieser Stelle ungenannt bleiben, denn die Geschichte der zwei hätte sich auch an jeder anderen Regelschule so abspielen können.
Selbstständigkeit als Ziel der Förderschule
Marias Handicap ist nicht zu übersehen - ohne Rollstuhl kann sie sich nicht fortbewegen. Bei Björn ist die Sache schon etwas anders. „Keiner vermutet auf den ersten Blick, dass der Junge spezielle Hilfen benötigen könnte“, sagt Petra Meergarten. Sie ist Björns Klassenlehrerin und weiß, dass ihr sportlicher, junger Schützling ein bisschen länger braucht, wenn er rechnen und schreiben soll. Und dass er immer mal eine Pause einlegen muss, wenn alles zu viel wird.
„In einer Regelschule ist es nicht einfach, so etwas zu ermöglichen und auf den erhöhten Förderbedarf eines jeden Schülers einzugehen“, findet die Pädagogin. In einer Förderschule sei das aber unproblematisch. Was aber nicht bedeute, dass die Schüler nicht gefordert werden. Ziel der Förderschule sei es unter anderem, das Können der Kinder so auszubauen, dass sie lernen, so viel wie möglich selbst zu erledigen. Im Falle von Björn sei es, rechnen und schreiben zu lernen. „Nicht alle werden das schaffen“, bleibt die Pädagogin realistisch, „aber die, die es packen können, werden unterstützt.“
Vor 25 Jahren wurde die Christophorusschule als Förderschule für geistige Entwicklung begründet. Der Unterricht basiert auf einem Lehrplan für die Schulform geistige Entwicklung und einem individuellen Plan der Schule.
In der Berufsschulstufe absolvieren die Schüler Praktika in den Südharzwerkstätten in Sangerhausen und auch in Betrieben auf dem ersten Arbeitsmarkt. In acht Fällen ist es bereits gelungen, Schüler auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.
Zur Zeit lernen 96 Kinder und Jugendliche an der CJD-Förderschule. Nach diesem Schuljahr werden elf junge Leute die Schule verlassen. Mit dem neuen Schuljahr werden 13 Mädchen und Jungen eingeschult.
Das Schulfest zum 25-jährigen Bestehen wird am Mittwoch, 25. Mai, um 10 Uhr gefeiert. Dazu bereiten die Schüler ein eigenes Programm vor, um zu zeigen, was sie gelernt haben.
In der CJD-Förderschule lernt Björn gemeinsam mit sieben weiteren Gleichaltrigen. Einer seiner Mitschüler braucht einen Rollstuhl und hat noch einige weitere, schwerwiegende Handicaps. Björn spricht ganz freundlich über den Jungen, der ganz gewiss nicht mit ihm über den Schulhof toben kann. „Aber wenn wir mit ihm reden, dann freut er sich“, sagt Björn.
Dass jemand im Rollstuhl sitzt, ist für den Zehnjährigen schon lange nichts Besonderes mehr. Auch Maria bestätigt, dass liebevoll und hilfsbereit mit ihr umgegangen werde. „Hier geht es mir gut. Wenn mir etwas runterfällt, ist gleich jemand da, der es aufhebt. Oder ich werde auch öfter mal von meinen Mitschülern geschoben“, erzählt sie. Und ganz wichtig: Sie wird nicht mehr gemobbt, weil sie anders ist als die anderen.
Schulleiterin Angelica Grüber sieht diese beiden Schüler als einen Teil der 25-jährigen Erfolgsgeschichte ihrer Schule an. „Ich weiß, dass die Leute immer erst zurückschrecken, wenn es heißt, dass wir eine Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung sind. Ich weiß auch, dass wenig schöne Bezeichnungen für unsere Schüler im Alltag gebraucht werden.
Individuelles Förderprogramm für jeden Schüler
Wer sich aber die Mühe macht, hinter die Schulmauern zu sehen, entdeckt vielleicht etwas ganz anderes. Das Kollegium der Förderschule stellt für jeden Schüler ein eigenes Förderprogramm zusammen.“ Das Ergebnis seien dann Kinder wie Björn, die wieder gerne zur Schule gehen, weil der Druck, etwas leisten zu müssen, was er nicht vermag, weg ist. Oder Maria, die keine immensen Fehlzeiten anhäuft, weil sie keine Angst haben muss, in ihre Klasse zu gehen.
„Oder die acht jungen Leute, die wir nach vielen Praktika in eine Arbeitsstelle auf dem ersten Arbeitsmarkt vermitteln konnten“, so Grüber. Gemeinsam mit dem Integrationsfachdienst und natürlich aufgeschlossenen Arbeitgebern sei das möglich gewesen. Auf diese acht ist die Schulleiterin besonders stolz. „Das zeigt auch nach außen, dass unsere Schüler etwas schaffen können, wenn man es ihnen nur zutraut und zusammenarbeitet und es ihnen ermöglicht. Und deshalb finde ich Förderschulen wie die Christophorusschule richtig gut.“ (mz)



