Tradition vor dem Aus? Ladehebung in Sangerhausen: Steht die Tradition der Bergmänner vor dem Aus?
Sangerhausen - Die Vorfreude ist zu spüren. Eva und Fritz Weber, Manfred Benne, Erwin Grigoleit und Rainer Hellwig sitzen im Sangerhäuser Café in der Straße Am Bergmann. Zu ihnen gesellt sich Ramona Schlaack von der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft. In kleiner Runde wollen sie den 9. September vorbereiten. Denn an diesem Tag soll die Bergmannslade auf dem Sangerhäuser Kumpelplatz gehoben werden. Ein Datum, das ehemaligen Bergleuten wie Fritz Weber (84), Manfred Benne (82) oder Rainer Hellwig (67) vom Bergarbeiterverein wichtig ist. Der Bergbau, das war für sie und ihre Familien das Leben. Bis heute ist das nicht anders.
Der Ablauf für den 9. September stehe fest, sagt Ramona Schlaack. Um 13.45 Uhr werden sich Mitglieder des Bergarbeitervereins nebenan in der Ernst-Putz-Straße treffen und um 14 Uhr auf den Platz Am Bergmann marschieren. „Ein kleiner Bergaufzug“, sagt Eva Weber, „mit der Schalmeienkapelle Martinsrieth.“
Ehemalige Bergmänner wollen mit Fest an Bergbaugeschichte und Tradition erinnern
Die Kapelle spielt anschließend noch, der Chor des Gymnasiums singt. „Auf jeden Fall das Bergmannslied“, sagt Manfred Benne. Und alle wissen, dass solch festliche Momente manch altem Bergmann die Tränen in die Augen treiben. Um die Moderation bittet die Bürgergruppe Jürgen Sander; hat er doch mit seinen Berechnungen zur Gestaltung des Kumpelplatzes und der großen Sonnenuhr beigetragen. Punkt 15 Uhr wird der Schatten der Planetenkugel auf den Schachtdeckel fallen. Zeit, die Lade zu heben.
Erwin Grigoleit, 83, ist der einzige, der beruflich nichts mit Bergbau zu tun hatte. „Ich habe in Memleben in der Landwirtschaft gearbeitet“, erzählt er und fügt hinzu: „2010 sind wir hergezogen, ins Wohngebiet Am Bergmann. 2009 habe ich das erste Mal erlebt, wie die Lade gehoben worden ist. Solche Traditionen muss man pflegen, also mache ich mit.“
Die 800-jährige Bergbaugeschichte Sangerhausens und der Region wachzuhalten, das wollen alle in der Runde. Fritz Weber hat sich - wie jedes Jahr - ein Quiz überlegt und schmunzelt: „Das Zehnte! Es ist noch ein bisschen komplizierter als die vorherigen.“ Für die Kinder, fügt seine Frau hinzu, soll die Kriechstrecke aufgebaut werden. Das sei schon mit dem Erlebniszentrum Bergbau Röhrigschacht besprochen. Es werde Angebote für die Jüngeren geben, sagt Ramona Schlaack, zum Beispiel Baumstämme fürs Nagelschlagen.
Wird die zehnte Ladehebung der Sangerhäuser Bergmänner die letzte sein?
Sobald die Lade gehoben ist, können Interessierte den Inhalt anschauen und staunen, was sich seit 2007 an Dokumenten, Fotos und Utensilien angesammelt hat. „Es ist noch viel Platz drin“, sagt Frau Weber. Es kann also Neues hinzukommen, bevor die Lade erneut in der Tiefe des Schachts verschwindet und der Deckel geschlossen wird.
Ob die Lade tatsächlich zum letzten Mal gehoben wird, wie sie überlegt hätten, ist offen. Sie seien ja alle älter geworden. „Aber Hans Grabowski würde weitermachen“, wirft jemand ein. Und der eine oder andere von ihnen wohl auch, Alter hin oder her.
Ramona Schlaack freut sich: „Es wäre schön, wenn die Tradition weitergeht, zumal in unserem Quartier Am Bergmann.“ Es sei zeitlich nicht aufwendig. Wer mitmachen will, könne sich gern bei den Organisatoren melden - zum Beispiel am Veranstaltungstag, wenn die Lade gehoben wird. (mz)