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Kulpenberg im Kyffhäusergebirge Kulpenberg im Kyffhäusergebirge: Den Klassenfeind zu DDR-Zeiten im Blick

Von Karl-Heinz Klarner 03.12.2018, 13:15
Hier war das alte Turmcafé untergebracht. 200.000 Gäste zählte der Fernsehturm jährlich.
Hier war das alte Turmcafé untergebracht. 200.000 Gäste zählte der Fernsehturm jährlich. Schumann

Kelbra - „Wir freuen uns, Sie im ersten Fernsehturm-Café unserer Republik begrüßen zu können,“ heißt es in einem vergilbten Flyer der ehemaligen Volkseigenen Handelsorganisation (HO) Artern aus dem Jahr 1984.

Das 20-jährige Jubiläum des Fernsehturmes auf dem Kulpenberg im Kyffhäusergebirge nahmen die sozialistischen Einzelhändler zum Anlass, auf die Erfolge im 35. Jahr der DDR zu verweisen.

Im kommenden Jahr hätte nun die Belegschaft des Turm-Cafés auf 54 Jahre blicken können. Doch mit dem Ende der DDR im Jahr 1989 kam auch das Aus für die Gastronomie in luftiger Höhe.

Lediglich das ehemalige Restaurant am Fuße des Turmes hat bis heute mit wechselnden Besitzern als Café überlebt.

Rund 200.000 Besucher wurden zu DDR-Zeiten durchschnittlich pro Jahr gezählt, die neben dem Besuch des Fernsehturms auch einen Abstecher zum nahen Kyffhäuserdenkmal oder in die Barbarossahöhle am Fuße des Gebirges unternahmen.

Aus Brandschutzgründen geschlossen

Doch die Sicherheit geht vor, hieß es seinerzeit von der Telekom. Allein eine Evakuierung der Besucher im Notfall über die 423 Stufen zählende Wendeltreppe im Inneren der Betonröhre würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen.

Zudem müssten an der 84 Meter hohen Aussichtsplattform oberhalb des Cafés Fangnetze angebracht werden.

Daran hat sich auch bis heute nichts geändert, bestätigt Benedikt Albers, Sprecher der Deutschen Funkturm GmbH, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom, die aktuell die Station mitten im Naturpark Kyffhäuser betreibt.

Wiedereröffnung nicht ausgeschlossen

Allerdings schließt Albers eine Wiedereröffnung der Gastronomie nicht kategorisch aus. Schließlich stehen derzeit auch die Chancen nicht schlecht, dass der Fernsehturm wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird - auch Dank einer millionenschweren Finanzspritze des Bundes.

„Wenn also jemand kommt, der auch das Geld mitbringt, dann ist das sicher kein Problem“, sagt Albers mit einem Augenwinkern und zeigt auf die leere Etage.

Doch der Fahrstuhl beförderte seinerzeit nicht nur Touristen in luftigen Höhe, denn die Deutsche Post beschäftigte damals bis zu 40 Leute. Hinzu kamen noch zehn Leute Security, die das Objekt rund um die Uhr bewachten.

Weiterhin erschienen regelmäßig acht Beschäftigte vom Funkamt Nauen, die dem Staatlichen Komitee für Rundfunk unterstanden.

Mitschnitte für den Schwarzen Kanal

Während die Besucher auf der Aussichtsplattform den Blick in die Ferne schweifen ließen, schauten sie auch in die Ferne - nämlich in die Fernsehprogramme des Klassenfeindes.

So wurden unter anderem Mitschnitte für Karl-Eduard von Schnitzlers Propagandasendung der „Schwarze Kanal“ gefertigt, wissen ehemalige Mitarbeiter zu berichten.

Doch war dies nicht die einzige Funktion, die der Turm hatte, der 473 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Neben den seinerzeit wenigen Telefonverbindungen, die hier über die Relais liefen, waren sogenannte Fernsehfüllsender stationiert, durch deren Ausstrahlung ein besserer Empfang von DDR 1 und 2 sowie UKW und Radio DDR möglich sein sollte.

Funkanlage der Stasi

Aber auch die Volkspolizei und das Ministerium für Staatssicherheit betrieben bis zur Wende ihre Funkanlagen auf dem 123 Meter hohem Turm.

Heute sind die alten Anlagen weitgehend demontiert und durch neue, leistungsfähigere Technik ersetzt worden, erzählt Frank Schilonka, der zuständige Objektmanager für den Fernmeldeturm Kulpenberg.

Alle namhaften Mobilfunkanbieter sind hier oben vertreten. Aber auch die beiden privaten Radiosender aus Thüringen und der Mitteldeutsche Rundfunk werden von hier abgestrahlt.

Auch für die Zukunft des Fernsehturmes ist offenbar bestens gesorgt. Denn auch mit der Versteigerung der Lizenzen für die fünfte Generation der Mobilfunkkommunikation (5 G) bleibt der Kulpenberg interessant, versichert Benedikt Albers.

„Der Turm hat eine strategisch gute Lage“, sagt der Sprecher und glaubt, dass gerade mit der Einführung des autonomen Fahrens - auch wenn das gerade in der Testphase ist - der Richtfunk eine große Rolle spielen wird.

So scheint die Zukunft des Fernsehturmes so sicher wie sein gigantisches Fundament. 17 Meter beträgt der Durchmesser im Parterre, die Betonwand ist 26 Zentimeter stark.

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Ein Gangsystem verbindet den Fuß des Turmes mit den Nebenanlagen, wo einst ein Dieselgenerator den Weiterbetrieb der Anlage bei Stromausfall sicherte.

„Besonders an Feiertagen der DDR saßen die Techniker schon mit heißen Lötkolben in Bereitschaft“, berichtet Objektmanager Schilonka schmunzelnd und schließt die Tür des Fahrstuhls mit einem Knopfdruck.

(mz)

Benedikt Albers präsentiert die Technik.
Benedikt Albers präsentiert die Technik.
Schumann