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Kulinarisches Weihnachten Königspfalz in Tilleda: Essen wie im Mittelalter

Von Grit Pommer 19.12.2019, 10:42
Königspfalz in Tilleda: Alexandra Dapper vor einem Slawenhaus auf der Pfalz mit zwei Repliken mittelalterlicher Kochtöpfe, die in glühende Kohle gestellt wurden.
Königspfalz in Tilleda: Alexandra Dapper vor einem Slawenhaus auf der Pfalz mit zwei Repliken mittelalterlicher Kochtöpfe, die in glühende Kohle gestellt wurden. G. Pommer

Tilleda - Heiligabend stellte die Menschen im Mittelalter vor ein Problem: Einerseits sollte an diesem besonderen Tag auch etwas Besonderes auf den Tisch kommen. Andererseits gehörte Heiligabend noch mit zu der 40-tägigen Fastenzeit vor Weihnachten. Die Lösung: Fisch.

„Sülzfisch, oder auch Fischsülze, war im Mittelalter eine hochgeschätzte Festspeise für den Fasttag“, sagt Alexandra Dapper. Für ihre Arbeit als Museumspädagogin auf der Königspfalz in Tilleda hat sich die Archäologin viel mit Essen und Kochen im Mittelalter beschäftigt, hat alte Rezepte ausgegraben und selbst nachgekocht.

Weihnachten im Mittelalter: Fisch kam auf den Tisch

Auf ausdrückliche Verweise zum Essen an den Weihnachtstagen ist sie dabei zwar nicht gestoßen. Aber man dürfe annehmen, dass an Heiligabend damals wegen des Fastentages durchaus Fischgerichte auf dem Tisch standen, meint die 50-Jährige.

Fasten, das hieß: keinerlei Produkte von an Land lebenden Tieren durften verwendet werden. Also auch keine Milch und keine Eier. In einer Aufzeichnung aus dem Jahr 1534 aus dem Kloster Tegernsee findet sich eine einfache Speisefolge für die Adventszeit, in der die Fischsülze der Hauptgang ist.

Weihnachtsessen: Hanf- oder Fischsuppe

Davor gibt es Hanfsuppe oder Fischsuppe, als zweiten Gang einen Hirsebrei, der statt mit Milch mit Brühe gekocht wurde, und als Nachtisch ein Püree aus Erbsen oder Trockenbirnen. Für die Fischsülze wurde bevorzugt Hecht verwendet, zusammen mit fein geschnittenem oder gehobeltem Gemüse.

Zutaten: 1 kg Hecht, 2 Liter Kochsud halb Wasser, halb Wein und 1 Schuss Essig, 2 Teelöffel Salz, 2 Äpfel, 2 Zwiebeln, 1 Liter Sud von gekochter Hechthaut und Gräten (alternativ Gelatine), 10 Pfefferkörner, 1/4 Teelöffel Ingwer, evtl. Zucker, Safran und 2 Esslöffel kochendes Wasser

Für die Tunke: 1/2 Liter halb Weißweinessig und Wasser, 2-3 Esslöffel Honig, 30 Gramm Soßenlebkuchen, trocken gerieben

Zubereitung: Hecht schuppen und innen salzen. Wasser-Wein-Gemisch zum Kochen bringen, die Hechtstücke einlegen und garziehen lassen. Gut salzen. Apfelviertel, Zwiebeln und Pfeffer hinzufügen. Sobald sich die Flossen leicht entfernen lassen, ist der Fisch gar. Haut abziehen, alles entgräten und in mundgerechten Stücken auf dem Boden einer flachen Schüssel arrangieren. Kochsud mit Haut und Gräten eine Stunde kochen, alles durch ein Sieb oder Stofftuch geben, die Flüssigkeit auffangen. Mit Ingwer und l. Zucker abschmecken. Der Sud kann mit aufgelöstem Safran gelb gefärbt werden. Fischstücke mit dem Abkochsud, evtl. ergänzt durch Kochsud, abdecken. Zum Gelieren mehrere Stunden kalt stellen. Für die Tunke Essig-Wasser-Gemisch erhitzen, geriebenen Soßenkuchen darin auflösen, alles aufkochen, mit Honig süßsauer abschmecken und kalt zur Sülze reichen.

 Quelle: „Zu Tisch bei Martin Luther“

Aus dem Nürnberg des Jahres 1488 ist eine Speisefolge überliefert, wie sie damals in einem wohlhabenden Haushalt auf den Tisch gekommen ist: Nach einer Käsesuppe gab es gebratene sowie in Wein und Wasser gekochte Fische, dazu Meerrettich und Gemüse.

Der Sud für die Fischsülze wurde mit importiertem Südwein, auch Malvasier genannt, angesetzt. Und wer es sich leisten konnte, würzte mit exotischen Spezereien wie Pfeffer, Kardamom, Muskat, Ingwer, Galgant und Safran. Letzterer wurde überhaupt gern genutzt, um an Festtagen Gerichte teuer einzufärben.

Nürnberg im Mittelalter: Gebäck "Mönch" als vierten Gang

Im reichen Nürnberger Haushalt kam als vierter Gang ein Gebäck namens „Mönch“ auf den Tisch, hergestellt aus Milch, Eiern, Butterschmalz, Mandeln, Rosinen und Malvasier. Dieser Teig wurde in einem bronzenen Mörser gebacken und als kleiner Turm auf einen Teller gestürzt.

Dass der Zucker nicht in den Teig geknetet, sondern am Ende zusammen mit Zimt nur sparsam darübergestreut wurde, zeigt, wie teuer er damals war. Erst um 1500 sei das Süßen erschwinglicher geworden, weil in Sizilien große Rohrzuckerplantagen entstanden, sagt Dapper.

Zum Nachtisch wurden bei den Nürnbergern Obst und Nüsse gereicht, mit Malvasier als Nachtrunk. „Zwei verschiedene Fisch-Gänge waren im Mittelalter schon ein Festtagsmahl“, weiß Dapper. Der süße Malvasier aus Italien sei damals der Inbegriff eines guten Tropfens gewesen.

Essen im Mittelalter

„Die normale Kost des gemeinen Mannes im Mittelalter war der Brei“, berichtet Dapper. Hergestellt aus dem, was die Jahreszeit gerade hergab. An Festtagen allerdings wurde in allen Ständen üppiger gegessen.

Mittelalterliche Rezepte findet man vor allem in Hausbüchern, in denen damals Empfehlungen für den Alltag aufgeschrieben und weitergereicht wurden. Das älteste bekannte gedruckte Kochbuch stammt aus dem Jahr 1490.

Über die Küche zu Zeiten Luthers hat Alexandra Dapper selbst ein Kochbuch verfasst. „Zu Tisch bei Martin Luther“ - basierend auf dem, was in der Aschengrube von Luthers Elternhaus in Mansfeld gefunden wurde und was man allgemein über das Kochen in dieser Zeit weiß.

Weihnachtsessen: Ente mit schwarzer Fruchtsoße

Eines der Rezepte daraus - Ente mit schwarzer Fruchtsoße aus Rotwein und Trockenpflaumen - wird es Heiligabend im Hause Dapper geben. „Mein Sohn mag die so“, erzählt Alexandra Dapper. Ihr selbst ist die Gemüse-pastete mit Limonen am liebsten.

Essen wird im nächsten Jahr auch auf der Pfalz in Tilleda eine Rolle spielen, wenn die Mischbevölkerung der Anlage durch Deutsche und Slawen zum Jahresthema wird. Zwei neue Slawenhäuser sollen bis dahin auch innen ausgestaltet sein.

Anhand von Funden auf der Pfalz könne man bestimmte Speisen nachweisen, wie sie für die Slawen üblich waren, wie etwa die Gurke oder den Anbau von Hirse. Am Pfingstsonntag wird slawisch gekocht - wahrscheinlich Kaninchen in Gurken-Rosinen-Brühe und Hirsekuchen aus dem Backofen. Besucher dürfen dann natürlich auch kosten. (mz)