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Kabarett Kabarett: Hausmeister, der allen den Spiegel vorhält

Von Ursula Schabert 18.07.2004, 15:12

Eisleben/MZ. - Warum setzen sich Leute an einem schönen Wochenendabend freiwillig zwei Stunden lang in ein historisches Gemäuer und lassen sich den Spiegel vorhalten, lassen sich mit ihren "Macken" und Eigenheiten konfrontieren und bezahlen auch noch Geld dafür?

Vielleicht darum, weil sie nicht nur über sich selbst, sondern auch über Politiker, Stars und den Rest der Welt lachen dürfen. Und weil dieses Lachen befreit und all die vielen Sorgen und Nöte, den ganzen grauen und ernsten Alltag auf einmal in ein anderes Licht rückt. Das ist die Kunst guten Kabaretts - und Ralph Richter beherrscht diese hohe Kunst.

85 Besucher aus Eisleben und Umgebung waren in die Räume derTanzschule Triebel (Hinterhausder Mohrenapotheke) gekommen,um sich den satirischen Rundumschlag "Einstweiliges Vergnügen"des Solo-Kabarettisten gefallen zulassen. "Ich war mir nicht ganz sicher, wie mein Programm in diesem Raum wirkt", sagte der Künstler in der Pause. Seine Bedenkenerwiesen sich als gegenstandslos:Man mag sich gerne vorstellen, indem sorgfältig sanierten Gewölbeöfter Kleinkunst zu sehen und zuhören. Richter hat sein Programmnicht zum ersten Mal in Eislebenaufgeführt, aber in diesem Raumbekam es eine besondere, eineganz speziell lokale Note. Er

könnte durchaus ein "echter" Hausmeister hier sein, der seine Gedanken zur Lage der Nation formuliert, während er gemächlich den Besen schwingt. Warum er mit "Die Gedanken sind frei" nicht bei "Deutschland sucht den Superstar" landen konnte, wird einleuchtend.

Menschen, die ungehemmt denken - und ihre Gedanken auch noch in Worte fassen, sind gefährlich. So sind Keller und Hinterhäuser wohl die geeigneteren Bühnen für Kabarettisten von Format. Was haben Angela Merkel und Männer mit "Waschbrettbauchm" gemeinsam? Sie sind sich gar nicht bewusst, welches komische Potential sie bilden. Wo ist die Schmerzgrenze beim Thema "Sex im Alter"? Da kennen die Eisleber offenbar keine Tabus, sie können auch dann lachen, wenn sie "Betroffene" sind, das registrierten die Jugendlichen, die zur Veranstaltung gekommen waren, mit Staunen. Es ist schwer, über gelungenes Kabarett zu berichten. Der Witz liegt im gesprochenen Wort, in der Gestik, der Mimik, im Augenblick - und das Publikum ist nie passiv, auch wenn es "nur" lacht oder schweigt.

Es spricht für Ralph Richter, wenn Größen wie "Missfits", Martin Buchholz oder sogar Dieter Hildebrandt ihm bereitwillig die ein oder andere Textzeile überlassen. Sie wissen, dass sie ihm vertrauen können, denn seine Selbsteinschätzung ist korrekt: "Zum Schweigen fehlen mir die passenden Worte."

Wer Ralph Richters "Einstweiliges Vergnügen" verpasst hat, kann es nachholen: Am Samstag, dem 24. Juli, gastiert er um 19.00 Uhr in der Schlackemühle in Alterode.