Jungtiere ohne Eltern Jungtiere ohne Eltern: Sorge um 15 Wildschwein-Frischlinge

TILLEDA/HACKPFÜFFEL - Landeigentümer Fritz Glaser sorgt sich um 15 Wildschwein-Frischlinge. Er hat die Tiere auf seinem Gelände An den Weinbergen zwischen Tilleda und Hackpfüffel in den vergangenen Wochen mehrfach beobachtet, als sie dort ohne Elterntier unterwegs waren. „Insgesamt fünfmal“, berichtet Glaser, der früher Amtstierarzt im Landkreis Sangerhausen war.
Hat Jäger falsch gehandelt?
Die Vermutung liege nahe, dass das Muttertier von einem Jäger geschossen wurde. Und zwar zur Maisernte Ende September bis Mitte Oktober, sagt Glaser. Dass tatsächlich auf dem Grundstück drei weibliche Wildschweine erschossen wurden, ist Glaser, wie er sagt, von drei Traktoristen zugetragen worden. Das Problem dabei: Muttertiere, die sich noch um ihre Jungen kümmern – sogenannte führende Bachen – dürfen laut dem Grundstücksbesitzer ganzjährig nicht abgeschossen werden. Falls doch? „Das ist im Frühjahr eine Straftat und im Herbst eine Ordnungswidrigkeit“, sagt der ehemalige Amtstierarzt.
Debatte in Jagdgenossenschaft
Er hat das Thema jüngst in der Jagdgenossenschaft Tilleda angesprochen und dabei eine hitzige Debatte ausgelöst. Glaser vermutet, dass eine der drei toten Bachen die Mutter der 15 Frischlinge war. Hat einer der insgesamt acht Jäger im Jagdrevier sich also nicht an das Gesetz gehalten? Eine Ordnungswidrigkeit würde demjenigen dann laut Jagdgesetz Sachsen-Anhalts bis zu 2 500 Euro kosten.
Paul Kratz, Vorstandsmitglied der Jagdgenossenschaft, räumt ein, dass in dem Gebiet eine sogenannte Überläuferbache mit einem Gewicht von 23 Kilogramm geschossen worden sei. „Junge waren da nicht zu sehen, und darüber hinaus war das Tier eine Abnormalität“, sagt er. Zum Vergleich: Eine normale Bache wiege rund 65 bis 70 Kilogramm. Glaser fordert nun aber die Jäger auf, die Jungtiere zu füttern, damit diese den Winter überstehen. Durch das erschossene Muttertier ergebe sich eine Verpflichtung. Andererseits erwarte er eine Selbstanzeige derjenigen, die die Bache geschossen haben.
Behörde mit anderer Darstellung
Jürgen Kümmling, der Vorsitzende der Jagdgenossenschaft, hält die Forderungen Glasers für unangebracht. Man wisse nicht genau und könne kaum überprüfen, ob die Jungschweinrotte nicht vielleicht aus einem anderen Gebiet komme. Es sei auch unklar, ob tatsächlich das Muttertier erlegt wurde. Glaser hält entgegen: „Die Tiere sind Standort treu, laufen nicht mehrere Kilometer.“
Auch der Idee der Fütterung erteilt Kümmling gleich eine Absage: „Die Tiere so durch den Winter zu bringen, ist nicht waidgerecht“, sagte er der MZ. Er plädiert stattdessen dafür, die Jungen zu erlegen. Kümmling lässt dabei auch Glasers Argument nicht gelten, dass sich die Tiere ohne führende Bache in einer Notzeit befänden. In Notzeiten könnten die Jäger eine Fütterung für Schwarzwild einrichten, sagt Glaser. So stehe es im Landesjagdgesetz. Kümmling hält entgegen: „Ohne Bache haben die Jungen ohnehin keine Überlebenschance.“ Glaser sieht das anders. So klein seien die Frischlinge nicht mehr. Der einstige Kreisamtstierarzt schätzt die Frischlinge aktuell auf maximal acht Wochen, sie hätten je fünf bis zehn Kilogramm Gewicht.
Erntejagd an einem Maisfeld
Unterdessen hat sich auch die untere Jagdbehörde beim Landkreis in den Streit eingeschaltet: Die stellt den gesamten Sachverhalt nun noch anders da: Demnach sei bei einer Erntejagd an einem Maisfeld von den Jägern auch ein Wildschwein geschossen worden, allerdings keine Bache, so Kreissprecher Uwe Gajowski. Dass die von Glaser gesehen Jungtiere keine Mutter mehr hätten, könne vielerlei Ursachen haben, zum Beispiel einen Verkehrsunfall, eine Kollision mit einer Erntemaschine oder die Bache sei in einem anderen Jagdbezirk erlegt worden. „Die genaue Ursache kann nicht mehr festgestellt werden“, sagt Gajowski.
Da ein Überbestand an Wildschweinen herrsche, sei nach einer Verordnung des Landesverwaltungsamts eine Bejagung des Schwarzwilds zwischen 1. Juli und 28. Februar auch während der sogenannten Setzzeit erlaubt. Im Klartext heiße das, dass auch eine Bache, die Junge führt, getötet werden dürfe, sagt der Kreissprecher auf Nachfrage.
Amt: Fütterung verboten
Hinsichtlich der Fütterung der bachenlosen Frischlinge gibt es laut Gajowski ebenfalls klare Regelungen in den Gesetzen: Wild dürfe in der freien Wildbahn nur gefüttert, wenn von der Jagdbehörde eine Notzeit, bezogen auf die örtlichen Verhältnisse und die jeweilige Wildart, festgestellt worden sei. Gajowski: „Eine Notzeit wurde in dem Fall nicht festgestellt, alle Wildarten finden momentan ausreichend Futter, dazu zählen auch die Frischlinge.“ Deshalb sei eine Bejagung der Tiere möglich und werde nun auch durch die Jagdpächter durchgeführt. (mz)