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Ihm folgte Leonora aus Sangerhausen Islamischer Staat: IS-Anhänger Martin Lemke spricht mit Reportern

Von Joel Stubert Aktualisiert: 21.01.2022, 13:28
Das Hochzeitsfoto von Leonora und ihrem Mann Nihad (vorn). Mit im Bild sind die beiden anderen Frauen Nihads, Sherine und Kadija.
Das Hochzeitsfoto von Leonora und ihrem Mann Nihad (vorn). Mit im Bild sind die beiden anderen Frauen Nihads, Sherine und Kadija. Kabisch

Sangerhausen - Martin Lemke war einer der Gründe, wieso Leonora Messing aus Breitenbach nach Syrien und zum Islamischen Staat ging. In einem Gespräch mit einem Reporter von Pro Sieben, das als Interview bei Focus Online erschienen ist, äußert sich der 28-Jährige zum Leben im Islamischen Staat. Aktuell lebt er, wie vermutlich auch Leonora, noch im Flüchtlingslager Al-Hol im Norden Syriens. Dort, so wird bei der Reportage deutlich, haben noch nicht alle Insassen mit dem IS abgeschlossen, verschleierte Frauen preisen die Taten des IS.

Islamischer Staat: Glühende Anhänger im Camp

„95 Prozent der Bewohner dieses Trakts seien immer noch glühende Anhänger des IS, hatte Lawand Yousef Ali, der Polizeichef des Camps, kürzlich der ARD verraten. Martin Lemke will von radikalen Strömungen nichts wissen. „Ich bin ausgewandert, um meinen Islam zu leben“, sagt er. Der in Zeitz geborene Martin Lemke gibt im Gespräch zu, dass ihn ein Islam-Seminar 2014 beim Prediger Abu Walaa in Hildesheim verändert habe.

Abu Walaa soll auch Anis Amri zum Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2017 animiert haben. Man habe den Koran diskutiert und verschiedene Leute kennengelernt. Es sei schon eine Art Gehirnwäsche gewesen.

Aktuell sei der Bundesnachrichtendienst an seinen Informationen stark interessiert, die er als Mitglied der Geheimpolizei des IS habe, sagt Lemke. Von Hinrichtungen und Morden habe er nichts gewusst, beteuert er. Das scheint allerdings ob seines Ranges und seiner Kontakte eher zweifelhaft. 

Denn in seinem Buch berichtet Maik Messing, Vater von Leonora, davon, dass es wohl die Kontakte von Martin Lemke gewesen sein dürften, die Leonora nach ihrem ersten gescheiterten Fluchtversuch einen langen Aufenthalt im Gefängnis erspart hätten.

Seine Zeit beim Kalifat gibt er vor zu bereuen. „Es war der größte Fehler, den ich machen konnte. Mein Leben ist kaputt“, sagt Lemke, der einen zurückhaltenden und schwachen Eindruck macht, ganz so als wolle er deutlich machen, dass von ihm keine Gefahr mehr ausgehe.

Deutschland: Ablehnung gegenüber IS-Rückkehrern

Dass viele Menschen dennoch nicht wollen, dass er und andere IS-Anhänger wieder nach Deutschland kommen, kann er verstehen. „Es ist normal, dass viele Leute nicht wollen, dass ich zurückkomme“, meint Lemke.

1.050 amtlich bekannte Deutsche sind nach Syrien gegangen, 200 kamen bei Selbstmordanschlägen um, etwa 100 sind in Gefangenschaft, heißt es in dem Artikel. Die Beweislage gegen Lemke ist schwierig, trotz der Zeugen, der Aussagen seiner Frauen. Bislang kann er im Falle einer Rückkehr nach Deutschland nur wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt werden. Dabei droht ihm eine längere Haftstrafe.

Im Gespräch mit den Journalisten gesteht er allerdings auch, dass seine Wohnungen vom Geheimdienst zugeteilt worden sind und er nichts bezahlen musste. Sollten diese Wohnungen eigentlich einer vertriebenen Familie gehört haben, ist ein Kriegsverbrechen nach Artikel 9 des Völkerstrafgesetzbuches (Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte).

Wann eine mögliche Ausreise von Martin Lemke oder auch seiner Frau Leonora nach Deutschland möglich wird, entscheidet grundsätzlich die Bundesregierung. Aber auch Gerichtsurteile können dazu führen. Anfang November hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass die Bundesregierung gefangene IS-Mütter mit ihren Kindern zurücknehmen muss.

Rückkehr von IS-Anhängern birgt Gefahren

Berlin hatte sich bis dato geweigert und auf die ausgehende mögliche Gefahr von IS-Anhängern verwiesen. Zudem fordern die US-Regierung und die Türkei nachdrücklich, dass Deutschland IS-Kämpfer mit deutscher Staatsangehörigkeit wieder aufnehme. Das gilt vor allem für Frauen und ihre Kinder. Dies könnte für Leonora Messing ein Hoffnungsschimmer sein, allerdings bleibt es reine Spekulation, ob und wann sie möglicherweise nach Deutschland zurückkehrt.

Bei Martin Lemke hingegen könnte es noch eine Weile dauern. Eigenen Angaben zufolge ist allerdings sein Gesundheitszustand nicht der beste. „Wenn ich noch depressiver werde, bringe ich mich vielleicht um. Ich warte auf den Tag, an dem ich einen Brief an meine Mutter schreiben kann. Das war’s“, sagte er im Gespräch mit Focus. (mz)