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Idee aus Sangerhausen Idee aus Sangerhausen: Faltbare Tür soll Rollstuhl- und Rollatornutzern helfen

Von Helga Koch 15.10.2016, 14:00
Rainer Böhme, Thomas Klaube und Andreas Köhler (v. l.) haben die faltbare Tür entwickelt.
Rainer Böhme, Thomas Klaube und Andreas Köhler (v. l.) haben die faltbare Tür entwickelt. Maik Schumann

Sangerhausen - Mit einer pfiffigen Idee sorgen drei Sangerhäuser für Schlagzeilen: Architekt Andreas Köhler, Tischlermeister Rainer Böhme und Metall-Handwerksmeister Thomas Klaube. Sie haben eine behindertengerechte, leicht bedienbare und Platz sparende Falttür entwickelt. Sie ist jetzt beim Seniorenforum des Landkreises vorgestellt worden, die erste Serie wird in einer Einrichtung für barrierefreies Wohnen in Merseburg eingebaut.

Köhler: „Die Idee ist aus der Not entstanden.“

„Die Idee“, sagt Köhler schmunzelnd, „ist aus der Not entstanden.“ Denn er sollte für den Bauherrn Udo Unbehaun eine alte Kaserne umgestalten. Aber so, dass nicht nur 25 barrierefreie Wohneinheiten entstünden, wie andere es konzipiert hatten, sondern 35. „Ich war sicher, dass ich das schaffe“, sagt der Architekt. „Ich wollte Raumspartüren verwenden.“ Das wäre aufgegangen. Doch ein Tischler habe ihm abgeraten; die üblichen Raumspartüren taugten nichts und seien nicht mal dicht, also für Sanitärräume ungeeignet. „So was kann ich nicht einbauen“, sagte sich Köhler.

Er suchte im Internet, „ob’s was Innovatives gibt“. Vergeblich. Das ließ ihm keine Ruhe. Er probierte es selbst. „Zuerst habe ich Modelle aus Pappe gebaut, dann aus Latten. Und mit einem Tischler aus Borxleben die erste Tür.“ Die war quasi längs halbiert. „Das funktionierte besser als erwartet.“

Köhler testet Türfunktion selbst mit Rollstuhl

Aber es gab noch ein paar Tücken auszumerzen, wie Köhlers Test mit dem Rollstuhl zeigte. „Beim Schließen der Tür habe ich mir die Finger eingeklemmt.“ Also musste ein funktionsfähiger und sicherer Klemmschutz her. „Den gibt es aus Plaste im Handel, er sieht nur nicht schön aus.“ Da der Borxleber Tischler anderweitig viel zu tun hat, kam die Sangerhäuser Tischlerei Böhme ins Boot.

Beim Tüfteln sei ihnen einiges eingefallen, um die Tür immer weiter zu verbessern. Die beiden Teile sind nun mit Klavierband verbunden, der Klemmschutz verschwindet unter Lkw-Planenstoff, den es in allen Holzfarbtönen gibt, der Umlenkhebel an der oberen Kante des Türblatts macht eine Laufschiene am Boden überflüssig.

Die größte Hürde war wohl die Drückergarnitur, die in einer Höhe zwischen 80 und 105 Zentimetern greifbar sein muss - also für jemanden, der im Rollstuhl sitzt oder den Rollator schiebt. Doch da sei er nicht fündig geworden, erzählt Köhler. Er kaufte sich kurzerhand einen Schwung Deoroller im Supermarkt - wegen der Plastikkugeln, Abwasserrohr und Spannseil aus dem Baumarkt. Er begann zu bohren und zu basteln.

Es funktionierte. „Das habe ich Thomas Klaube gezeigt und gesagt, das will ich jetzt mal ordentlich.“ Den Wunsch konnte der Wettelröder Handwerksmeister erfüllen. So entstand der Prototyp der Tür und wurde in Merseburg getestet: von Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen und ebenso vom Pflegepersonal.

Erste Serie Falttüren wird in einer sozialen Einrichtung eingebaut

Zurzeit wird die erste Serie von 25 Falttüren aus der Tischlerei Böhme in einer sozialen Einrichtung eingebaut. Weiß mit farbigen Elementen, damit die Bewohner sich gut orientieren können. Bauherr Udo Unbehaun freut sich: „Wer in seiner Bewegung eingeschränkt ist, kann problemlos ins Bad rein und raus, ohne zehnmal umfassen zu müssen.“ Er sei froh, den Sangerhäusern „ziemlich auf den Keks gegangen“ zu sein und nicht locker gelassen zu haben, bis sie eine solch innovative Lösung entwickelt hatten.

Seit den Anfängen vor anderthalb Jahren sei Köhler „absolut nervend“ gewesen, sagt auch Tischlermeister Böhme und lacht. „Aber sonst geht’s nicht! Wir setzen das technisch um, was der Architekt entwirft, fertigen Muster und Proben an, entwickeln die Technologie und die Materialien.“ Bei der Fertigung und Montage gebe es sicher sogar jetzt noch ein paar Kleinigkeiten zu verbessern.

Die Tür ist beim Patentamt angemeldet, einen Gebrauchsmusterschutz gibt es schon. Er habe, resümiert Köhler, mit einer viel komplizierten Variante angefangen. Und schließlich sei es ganz anders, viel einfacher und besser gelungen. (mz)

Dank der Drückergarnitur können Rollstuhlfahrer die Tür in einem Zug öffnen, durchfahren und schließen.
Dank der Drückergarnitur können Rollstuhlfahrer die Tür in einem Zug öffnen, durchfahren und schließen.
Maik Schumann