Urlaub auf Probe Hotels sind geöffnet: Wie läuft das Modellprojekt in Stolberg?
Stolberg
Ein Blick auf den gut gefüllten Parkplatz vorm Hotel „Schindelbruch“ verrät: Die Gäste haben zum Teil eine lange Anreise in Kauf genommen, um ein paar Urlaubstage im Südharz zu verbringen. „Sie kommen aus ganz Deutschland“, sagt Inhaber Clemens Ritter von Kempski. „Wir haben auch Stammgäste und Geschäftsreisende hier. Die Gäste können bei uns ‚ohne Filter‘ buchen, unabhängig von der Inzidenz bei sich zu Hause.“
Strenge Regeln und regelmäßige Corona-Tests in den Stolberger Hotels
Das gehört zur Strategie. Denn die Ritter von Kempski Privathotels wollen nachweisen, ob und unter welchen Bedingungen touristisches Reisen trotz Corona-Pandemie möglich ist. Damit gehören sie zu den Vorreitern der Branche, die seit über einem Jahr schwer gebeutelt ist; nur über den Sommer bis November durften Hotels in Deutschland öffnen. Doch der Urlaub beginnt jetzt anders als früher, auch für Marlies und Matthias Winderle aus Halle. Sie haben diesmal für eine Nacht gebucht. „Die erste Impfung haben wir schon weg“, erzählt die Hallenserin. Nun müssen sie einen aktuellen negativen Corona-Test vorm Einchecken nachweisen, vom Arzt, aus einer Apotheke oder einem Testzentrum. Das Zertifikat ist neben dem Fiebermessen quasi der Türöffner.
Für Gäste und Mitarbeiter gelten strenge Vorschriften. Alle zwei Tage sind Tests fällig, in öffentlichen Bereichen gilt die Maskenpflicht, überall stehen Desinfektionsmittelspender. Abstand halten, Hygieneregeln - das Konzept ist ausgeklügelt. Das strenge Regime zahlt sich aus: „Bei unseren Tests haben wir drei infizierte Mitarbeiter gefunden, rausgefischt und in Quarantäne geschickt“, sagt Kempski, der auch Arzt ist. „Sie wären sonst symptomlos durchs Haus gelaufen.“ Zwei seien beim PCR-Test negativ getestet worden.
Kein Gewinn bei einer Belegung von maximal 50 Prozent
In den Räumen stehen Luftreinigungsgeräte. „Sie sind vom Fraunhofer-Institut getestet und beseitigen die Viren in der Raumluft zu 99,43 Prozent“, sagt Kempski. Den Seitenhieb, dass sie längst überall in die Klassenzimmer gehört hätten, kann er sich nicht verkneifen. Der Aufenthalt im Hotel, einschließlich des Spa-Bereichs, der Saunen oder Restaurants, sei wesentlich sicherer als etwa zu Hause bei einem Treffen mit Freunden, als im Supermarkt oder in öffentlichen Verkehrsmitteln. „Wir ermöglichen eine hohe Infektionssicherheit, obwohl es keine 100-prozentige Sicherheit gibt.“ Um aus dem Modellprojekt wissenschaftliche Erkenntnisse abzuleiten, liefen Vorgespräche mit der Uni Magdeburg: „Wir wollen unser Konzept aufbereiten und Wege für Hotellerie und Gastronomie aufzeigen, um wieder zu öffnen. Es geht hier nicht um Wettbewerb, es geht um die Branche.“
Aufgrund der maximal möglichen Belegung von 50 Prozent sei das Ganze „auf jeden Fall defizitär“, sagt Kempski. „Das gesamte wirtschaftliche Risiko liegt bei uns. Wir wollen kein Steuergeld haben, sondern verlässlich wirtschaften können.“ Die Bevölkerung habe seit dem Beginn der Pandemie viel ertragen, die Geduld sei erschöpft. „Temporär war der Lockdown richtig, aber wir brauchen Exitstrategien, ähnlich wie in Großbritannien.“ Deshalb würden mutige Modellprojekte wie in Tübingen, Rostock oder Augustusburg benötigt. Womöglich aber den nächsten Lockdown zu beschließen, ohne selbst Strategien zu entwickeln, wirft er der Bundeskanzlerin vor, das gehe nicht.
Was passiert, sollte das Infektionsschutzgesetz nun doch verschärft werden?
Schon im Oktober haben die Kempski-Hotels ihre Teststrategie publik gemacht. Doch es habe sechs Monate gedauert, sagt der Hotelier, bis der Bund Modellprojekte erlaubt habe. Er sei froh, dass Reiner Haseloff (CDU) als Ministerpräsident und Naturwissenschaftler, Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) und Landrätin Angelika Klein (Linke) mit ihrer „tollen Kreisverwaltung“ mutig und engagiert das Modellprojekt ermöglicht hätten: „Als Beispiel, dass es funktioniert, wenn alle parteiübergreifend zusammenarbeiten.“ Doch was passiert, sollte das Infektionsschutzgesetz nun doch verschärft werden? Kempski antwortet ohne zu zögern: „Wir werden dann schließen.“ Es sei ja im Vorfeld klar gewesen, dass es Kriterien gebe, das Modellprojekt abzubrechen. Und der Parkplatz wäre erneut auf einen Schlag leer. (mz/Helga Koch)