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Hilfe für Suchtkranke in Sangerhausen Hilfe für Suchtkranke in Sangerhausen: Stolz über jeden trockenen Tag

Von Helga Koch 19.02.2016, 12:04
Frank T. freut sich, dass er seit 13 Monaten trocken ist und sich beim Renovieren der zwei Notwohnungen des Vereins nützlich machen kann.
Frank T. freut sich, dass er seit 13 Monaten trocken ist und sich beim Renovieren der zwei Notwohnungen des Vereins nützlich machen kann. Schumann

Sangerhausen - Das Datum hat sich eingebrannt, sagt Frank T. „Bei mir ist es am 16. Februar genau ein Jahr gewesen, dass ich aus der Klinik und zur Tagesstätte kam.“ Der 47-Jährige aus dem Mansfelder Land ist trockener Alkoholiker. Sieben Frauen und Männer besuchen zurzeit die Tagesstätte, die es seit einem Jahr beim Sangerhäuser Hilfeverein für Menschen mit seelischer Beeinträchtigung gibt. Ein paar Plätze sind noch frei, sagt Leiterin Edda Wolf.

So verschieden die Sieben auch sind, alle brauchen die Tagesstätte. Sie gibt ihnen Halt, ohne den es wohl mit jedem von ihnen schnell wieder bergab gehen würde. So hat beispielsweise Patrick S. schon mehrere Therapien wegen Alkohol und Drogen hinter sich. Im Diakoniekrankenhaus Elbingerode hat er zum Glauben gefunden: „Als es besonders schlimm war, hat der Chefarzt mit mir gebetet. Ich war früher strenger Atheist.“ Diesmal hat der 29-Jährige nach der Therapie durchgehalten. „Das Konzept der Tagesstätte ist toll. Denn wenn man aus der Therapie kommt, nimmt die Dichte der Betreuung unglaublich schnell ab. Man wird ins kalte Wasser geworfen.“ Ein solches Angebot wie das vom Hilfeverein habe früher gefehlt. „Das Wertvollste ist der Austausch, das Miteinander in der Gruppe, mit Leuten zu reden, die dasselbe Problem haben.“ Der gelernte Kfz-Mechatroniker weiß, dass er weiter Hilfe brauchen wird: „Ich werde für ein Jahr in eine christliche Einrichtung nach Weißkeißel in der Oberlausitz gehen.“

Leiterin Edda Wolf erläutert die Wochenpläne der Tagesstätte: „Zwei Tage pro Woche steht Praxisarbeit auf dem Plan, es gibt Gruppenstunden, Einzelgespräche, Ergotherapie, kognitives Training, Reinigung.“ Die Teilnahme an den Treffen der Selbsthilfegruppen werde kontrolliert, bei der Praxisarbeit nach dem Rechten geschaut.

Monika S., die früher einen Bürojob hatte, entschied sich nach der Entgiftung gegen eine Therapie. Monika S. besucht seit einem Jahr die Tagesstätte, wöchentlich ihre Selbsthilfegruppe, hat 14-tägig einen Termin mit dem Psychotherapeuten. Viele Bausteine sind nötig, damit sie ihren Alltag meistert. Die Arbeit im Freien sei für sie ungewohnt gewesen, wie sie erzählt. „Wir haben auf dem Friedhof Laub geharkt, Sträucher und Efeu verschnitten, die Ehrengräber in Ordnung gebracht.“ Die Besucher des Friedhofs hätten „lobende Worte“ gefunden. Das beflügelt. Die Tagesstätte zu besuchen, habe ihr sehr gut getan, sagt Monika S. und fügt hinzu: „2014 war ich 13 Wochen wegen psychischer Probleme in stationärer Behandlung. Voriges Jahr gar nicht.“

Auch für den Sangerhäuser Steffen S. (51) wäre nach dem Aufenthalt in Elbingerode keine andere Einrichtung in Frage gekommen. Er brauche seine Freiheit, doch genauso die Tagesstätte. Mit seinem Suchtproblem komme er dank der Hilfe durch „Frau Wolf und die Kollegen“ klar.

Ähnlich schildert es ein Musiker, der vor allem an den Wochenenden Veranstaltungen hat. Als Musiker „immer nah dran am Alkohol“, musste er zweimal zur Entgiftung nach Hettstedt. Danach habe er es allein versucht: „Das ist voll in die Hose gegangen.“ Diesmal entschied er sich für die Tagesstätte: „Es hilft, wenn ich früh hoch muss. Ich stehe gern auf, komme gern her. Ich habe ein paar verrückte Leute kennen gelernt, wir passen gut zusammen.“ Jeder sei wichtig. Wem es schlecht geht, der könne drüber reden. „Die anderen wissen, wie’s in einem aussieht, hören zu, geben Ratschläge.“

Frank T. nickt zustimmend: „Egal, welche Aufgabe man bekommt, es wird alles erledigt, es macht Spaß.“ Seine zwölfjährige Tochter sei stolz auf ihn. Er freue sich jeden Morgen, wenn er aufwacht, wieder einen Tag trocken geblieben zu sein. Seit 13 Monaten. Er hat ja ein großes Ziel. Er möchte unbedingt seinen Führerschein wieder erlangen. (mz)

Monika S. und Mirko R. helfen zurzeit beim Renovieren der beiden Wohnungen in Sangerhausen.
Monika S. und Mirko R. helfen zurzeit beim Renovieren der beiden Wohnungen in Sangerhausen.
Maik Schumann