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Heimatgeschichte Heimatgeschichte: Darum kommen die Käsemänner zu Pfingsten nach Questenberg

Von Grit Pommer 03.06.2017, 14:00
1962 wurde der Stamm nach zwölf Jahren erneuert. Die Eiche stellte der damals Staatliche Forstwirtschaftsbetrieb kostenlos zur Verfügung
1962 wurde der Stamm nach zwölf Jahren erneuert. Die Eiche stellte der damals Staatliche Forstwirtschaftsbetrieb kostenlos zur Verfügung Archiv/Noack

Questenberg - Nicht überall gibt es eine so bunte und mit vielen Details ausgeschmückte Tradition wie das Questenfest, das jetzt zu Pfingsten wieder in Questenberg gefeiert wird. Aber was hat es mit den außergewöhnlichen Bräuchen rund um die Questenmannschaft eigentlich auf sich? Und warum in aller Welt müssen jedes Jahr drei Rothaer durch den finsteren Wald wandern und um Mitternacht Brot und Käse in Questenberg abliefern?

Der Quedlinburger Heimatforscher Ernst Kiehl hat in seiner 1990 erschienenen Broschüre „Das Questenfest“ alles zusammengetragen, was er über die uralte Tradition herausfinden konnte. Die vom Volksmund weitergereichte Questensage wurde demnach erstmals im 18. Jahrhundert von dem aus Roßla stammenden Pfarrer Johann Conrad Kranoldt aufgeschrieben - in seinem Werk „Merckwürdigkeiten der Güldenen Aue“.

Sage: Burgherr spendierte Questenfest aus Freude, als seine verirrte Tochter gefunden wurde

Der Sage nach verirrte sich das einzige Töchterchen des Burgherren von Questenberg beim Blumenpflücken im Wald. Der Burgherr rief die Einwohner der umliegenden Orte auf, bei der Suche zu helfen und am dritten Pfingstfeiertag wurde das Kind auf einer Wiese bei Rotha gefunden - mit einem Kranz, den sie aus den Blumen gewunden hatte.

Aus Freude über das glückliche Ende spendierte der Burgherr den Questenbergern das Questenfest, das fortan jedes Jahr zu Pfingsten gefeiert werden sollte. Der große Kranz, der Pfingstmontag frisch gewunden und aufgehängt wird, soll an den Blumenkranz des Mädchens erinnern.

Rotha indes bekam die Wiese geschenkt, auf der die Kleine gefunden wurde, und muss dafür jedes Jahr ein Brot und vier Käse nach Questenberg bringen.

1820 findet sich dann laut Kiehl im handschriftlich notierten Gedicht eines unbekannten Poeten eine leicht veränderte Version der Sage: Der Burgherr heißt dort Ritter Knaut und seine kleine Tochter Jutta.

Käse der Rothaer als Tribut, weil sie bei Suche nach Kind nicht halfen

Bei Arno Einicke indes, Autor der 1989 erschienenen Broschüre „Rotha - eine kleine Harzgemeinde im Wandel der Jahrhunderte“ - weicht die Sage stärker ab. Nach dieser Version weigerten sich die Bauern von Rotha als einzige, bei der Suche nach dem Kind zu helfen, und müssen quasi zur Strafe jedes Jahr den Käsetribut leisten.

Liefern sie übrigens den Mitternachtsimbiss nicht pünktlich ab, dann haben die Questenberger nach altem Brauch das Recht, sich das beste Rind aus der Rothaer Herde auszusuchen und mitzunehmen. 1933 soll das tatsächlich mal passiert sein. Die Questenberger schlachteten den kapitalen Ochsen und brieten ihn am Spieß - was als Ochsenfest in die Geschichte einging.

Käsebrauch der Rothaer wurde erstmals 1687 schriftlich erwähnt

Erstmals schriftlich erwähnt wurde der Käsebrauch 1687 - weshalb 1987 nicht nur drei Käsemänner, sondern zwei Omnibusse voller Rothaer nach Questenberg kamen und man gemeinsam das 300-Jährige feierte. Damals beschlossen beide Gemeinden per Vertrag, dass dieses Fest alle 50 Jahre wiederholt werden soll.

Um Mitternacht in der Nacht von Samstag zu Sonntag bringen drei Männer aus Rotha ein Brot und vier Harzer Käse nach Questenberg und werden dort am Ortseingang empfangen.

Das frische Grün für den neuen Questenkranz schlagen die Mitglieder der Questenmannschaft am Pfingstsonntag.

Pfingstmontag 3.30 Uhr wird der Ort mit Trompetenklang geweckt. Mit Blaskapelle geht es hinauf zur Queste, wo die Männer den alten Kranz abnehmen, die aufgehende Sonne begrüßen und sich zum Morgenmahl niederlassen. Sauerkraut und Kuchenbrot gehören traditionell dazu.

Ein Festumzug mit den Traditionsfahnen geht am Montag 13 Uhr hinauf zur Queste, wo die Männer der Questenmannschaft den neuen Kranz winden und am Eichenstamm hochziehen. (mz)

Vom Brot-und-Käse-Zoll können sich die Rothaer nur dann befreien, wenn es ihnen gelingt, den Questenberger Roland zu klauen und vor Sonnenaufgang über die Flurgrenze zu bringen. Deshalb gehört auch die „Lauerhütte“, in der eine Wachmannschaft auf den Roland aufpasst, zur Tradition des Questenfestes.

Dessen eigentlichen Ursprung vermuten Historiker allerdings in einem alten Sonnenkult. Denn Pfingstmontag um 4 Uhr zieht man auf die Queste, um die aufgehende Sonne zu begrüßen. Und auch die Form des Questenkranzes am Eichenstamm erinnert sicher nicht ganz zufällig an das Rundkreuz der Kelten. (mz)