Feag wird 20 Jahre Feag wird 20 Jahre: Geschäftsführer Koschmieder: "Wir brauchen mehr Mut"

Sangerhausen - Der Blick aus dem Büro von Heiko Koschmieder, Geschäftsführer der Feag in Sangerhausen, könnte besser nicht sein. In der Ferne ragt das Kyffhäuser-Denkmal empor, auf der anderen Seite die Halde. Im Regal neben der Tür stehen Geschenke aus Russland, Kasachstan und China. Zum 20-jährigen Bestehen sprach Joel Stubert mit dem Feag-Chef über den schwierigen Start, den Standort Sangerhausen und die Aufgaben der Zukunft.
Herr Koschmieder, die Feag hat sich in 20 Jahren gut entwickelt, trotz oder wegen des Standorts in Sangerhausen?
Heiko Koschmieder: Der Standort in Sangerhausen ist ein Vorteil für uns, weil wir in den Jahren gute Unterstützung bekommen haben. Förderungen durch das Land haben uns bei den Investitionen, 16,5 Millionen Euro in den ganzen Jahren, erheblich unterstützt. Hier in Sachsen-Anhalt kann man sich eben auch direkt an die Landesregierung wenden. In Baden-Württemberg würde man ein Unternehmen mit 200 Mitarbeitern vielleicht gar nicht kennen.
Mit den 200 Mitarbeitern ist die Feag das größte Industrie-Unternehmen in Sangerhausen. Spüren Sie eine gewisse Verantwortung?
Koschmieder: Ja. 200 Mitarbeiter sind nur die halbe Wahrheit. Dienstleister oder auch Zulieferer arbeiten für uns, da stecken noch mehr Arbeitsplätze dahinter. Wir sind ein wirtschaftlicher Faktor für die Region. Der größte Teil der Mitarbeiter ist auch aus der Region.
Die Feag Sangerhausen fertigt Schaltanlagen-Systeme für die industrielle Stromversorgung und Energieverteilung. Das Spektrum umfasst unter anderem Schaltanlagen für Niederspannung und Mittelspannung.
In Sangerhausen sind rund 200 Mitarbeiter beschäftigt. 2017 machte das Unternehmen einen Umsatz von rund 25 Millionen Euro.
1998 begann man mit 42 Mitarbeitern, machte einen Umsatz von sieben Millionen D-Mark und hatte mit Siemens nur einen Kunden. (mz/JS)
Sie produzieren in Sangerhausen, sind aber international ausgerichtet...
Koschmieder: 60 Prozent unserer Produkte gehen ins Ausland, sowohl als direkter als auch als indirekter Export. Wenn zum Beispiel Siemens oder Linde ein Werk in Südamerika bauen, dann ist das ist das ein deutscher Kunde, aber die Ware geht ins Ausland. Schwerpunktmarkt im Direktgeschäft ist Russland.
Und mit Russland gibt es seit Jahren politische Reibereien. Machen Sie sich Sorgen?
Koschmieder: Wir leben in einer globalisierter Welt, alles ist verknüpft. 2014 sind die Sanktionen in Kraft getreten, und 2015 hatten wir prompt das schlechteste Jahr in unserer Geschichte. Die Sanktionen sind sinnlos und bringen nichts. Die Politiker in Moskau und Berlin müssen begreifen, dass es nur gemeinsam geht.
Wie betrafen die Sanktionen Ihr Unternehmen?
Koschmieder: Es wurden Projekte storniert und auf Eis gelegt, 2015 ist fast gar kein Projekt in Russland abgesetzt worden. Das hat sich mittlerweile ein Stückchen weit relativiert. Aber in Russland gibt es die Bestrebung, wieder mehr lokal zu produzieren, da wird es für uns als ausländisches Unternehmen dennoch schwieriger.
Wie schafft man es dennoch?
Koschmieder: Wir versuchen die langjährigen Kundenkontakte zu pflegen und wollen über die Qualität überzeugen. Ein Beispiel: Wir hatten letztes Jahr ein Projekt, da haben wir einen Teil für ein Rechenzentrum in Moskau geliefert. Dort gab es einen zweiten Bauabschnitt, den haben wir aber leider nicht bekommen. Am Ende hat der Kunde von seinem Lieferanten eine so schlechte Qualität bekommen, dass er gesagt hat: Den dritten Bauabschnitt nehmen wir wieder von euch.
War 2015 die schwerste Zeit in 20 Jahren Feag?
Koschmieder: Zwei Themen haben mich seit meiner Ankunft 2010 massiv betroffen. 2012 hatten wir begonnen, ein Geschäft für Solarkraftanlagen zu betreiben, aber 2013 änderte sich dann in Berlin die Förderpolitik. Das kam so überraschend, dass fast unser gesamtes Geschäft in diesem Sektor eingebrochen ist. Und von den Sanktionen gegen Russland 2015 waren 20 Prozent unseres Volumens betroffen.
Ein großes Thema sind aktuell auch die Strafzölle, die US-Präsident Donald Trump auf Aluminium und Stahl aus der EU verlangt. Betrifft das auch die Feag?
Koschmieder: Jein. Es betrifft uns nicht direkt. Es ist die Frage, in welche Richtung sich das entwickelt. Aber wenn es irgendwann die Automobilindustrie betrifft, dann schon. Die Automobilindustrie ist ein Treiber in unserer Branche, die investieren richtig viel, weil sie zum Beispiel Prüfstände installieren oder neue Modelle entwickeln. Zölle könnten dazu führen, dass das weniger wird. Und das kann mittelfristig gravierende Einflüsse haben.
Wie kann einem Leuchtturm der Region, wie die Feag einer ist, die hiesige Politik helfen?
Koschmieder: Wir als Landkreis stellen uns schlechter dar, als wir sind. Wir brauchen mehr Mut und Selbstbewusstsein.
Was meinen Sie genau?
Koschmieder: Der Landkreis will ja stark in den Tourismus gehen. Wenn ich aber Tourismus machen will, muss ich für die nötige Infrastruktur sorgen. Ich wollte mal ein englischsprachiges Buch über Sangerhausen haben, daran bin ich leider gescheitert. Die Attraktivität der Region müssen wir steigern. Das ist leicht gesagt, ich weiß. Hier kann man ein Haus bauen und bekommt Grundstücke für etwas weniger Geld, hier hat man Kindergartenplätze.
Die Zukunft ist digital. Wie sieht sie für die Feag aus?
Koschmieder: Meine große Vision ist, dass wir hier in Sangerhausen ein Kontrollzentrum mit Monitoren schaffen, wo wir alle Anlagen unserer Kunden überwachen und beobachten können und wenn nötig jemanden hinschicken um das in Ordnung zu bringen. Das Wichtigste ist, die Menschen mitzunehmen bei solchen Prozessen.
Ist die Digitalisierung eine Gefahr für die Arbeitsplätze?
Koschmieder: Die Digitalisierung ist auch ein Mittel, um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten und mit dem gleichen Personal weiter nach vorne zu kommen. Den Fachkräftemangel spüren auch wir, das ist ein großes Thema.
Wie wollen Sie dem begegnen?
Koschmieder: Wir merken das seit längerem und versuchen das über Ausbildung aufzufangen. Das Interesse an Technik hat nachgelassen, das merken wir an der Zahl der Bewerber. Wir haben zum Beispiel ein Projekt mit der Heineschule, wodurch wir Schüler für technische Berufe begeistern wollen. Wir treffen uns und basteln oder machen andere Dinge. Später können sie bei uns in den Ferien jobben oder Praktika machen. (mz)
