Erste SB-Kassen im Landkreis Erste SB-Kassen im Landkreis: Kunden im Kaufland können Einkauf nun selbst scannen

Sangerhausen - Mitte März waren sie plötzlich da - vier Kassen, an denen die Kunden die Ware selbst scannen und dann per Karte oder bar bezahlen können. Die neue Technik in der Kaufland-Filiale in Sangerhausen gehört offensichtlich zu dem modernisierten Ladenkonzept, das zurzeit mit der Umgestaltung des Marktes umgesetzt wird.
Wer regelmäßig dort einkauft, hat festgestellt: Seit dem Auftauchen der SB-Geräte - die wohl zumindest im Lebensmittelhandel die allerersten im Landkreis Mansfeld-Südharz sein dürften - sind oft nur noch zwei der zehn normalen Kassen besetzt. An denen bilden sich dann schnell lange Schlangen.
Selbstbedienungskassen im Kaufland: Mitarbeiter helfen Kunden beim Scannen
An den Selbstbedienungskassen steht immer eine Mitarbeiterin bereit, die Kunden heranwinkt, ihnen beim Scannen des Einkaufs hilft und sie durch den Bezahlvorgang lotst. Lange warten oder sich an die neue Technik rantrauen - der Kunde hat die Wahl. Und die meisten lassen sich dann eben doch zu einem Versuch ermutigen.
Der ist meist erst mal mit Stolperstellen gespickt. Wer beispielsweise schon fix mit dem Einpacken beginnt, bevor der Einkauf bezahlt ist, bringt damit umgehend das Gerät gegen sich auf. „Sie haben Ware aus dem Warenträger entnommen“, ermahnt es den Kunden, bis eine Mitarbeiterin mit ihrer Karte eingreift und es weitergehen kann.
Auch der Kauf einer harmlosen Pralinenmischung kann ungeahnte Probleme bergen. Drei kleine Schachteln, schnell über den Scanner gezogen, und das Display zeigt irritierenderweise: „Jugendschutzprüfung“. Wieder muss eine Mitarbeiterin kommen, um das Ganze aufzulösen.
Likörpralinen lösen Sondereinsatz an SB-Kassen aus
Die zwei Likörpralinen in der Mischung sind es wohl, die den Sondereinsatz notwendig machen. An einer normalen Kasse sieht die Verkäuferin, ob der Kunde alt genug ist, notfalls fragt sie nach dem Ausweis. Der Automat kann das nicht.
Vor allem ältere Kunden äußern sich verärgert über die neue Technik. Bis zum Kreisseniorenrat ist die Kritik allerdings noch nicht vorgedrungen, wie dessen Vorsitzende Karina Kaiser auf MZ-Anfrage erklärt. Sie will nichts zu den Selbstscanner-Kassen sagen, ohne sie vorher selbst ausprobiert zu haben. Allerdings kennt sie das System schon von Ikea und hat festgestellt, dass vor allem die Jüngeren selbst scannen, während die Älteren lieber Wartezeit in Kauf nehmen.
Bleibt der Verdacht, dass mit den neuen Kassen Arbeitsplätze von Kassiererinnen verschwinden sollen. MZ fragte schriftlich in der Kaufland-Zentrale in Neckarsulm nach. „Die Arbeitsplätze der Kassiererinnen und Kassierer in unserer Filiale in Sangerhausen bleiben erhalten“, erklärt Unternehmenssprecherin Janina Wickel.
Kein Personalabbau durch SB-Kassen geplant
Bei einer Händlerbefragung durch das EHI Retail Institut, das von fast 800 Handelsunternehmen und -verbänden sowie Herstellern getragen wird, hat kaum ein SB-Kassenbetreiber angegeben, dass er mit der neuen Technik die Hoffnung auf weniger Personalstunden verbindet.
Bisher habe auch kein Unternehmen einen Personalabbau in nennenswertem Umfang realisieren können, heißt es in der Auswertung. Denn die SB-Kassen, die meist um die 20.000 Euro pro Stück und damit das Drei- bis Vierfache der herkömmlichen Kassentechnik kosten, müssen ständig betreut und beaufsichtigt werden.
Bei der Befragung hätten die meisten Unternehmen angegeben, dass sie vor allem Warteschlangen reduzieren, aber auch ein modernes Image pflegen wollen. Zudem hätten alle Händler erklärt, dass die Einführung der Technik nur mit der Unterstützung motivierter Mitarbeiter funktionieren kann.
Gewerkschaft Verdi sieht neue SB-Kassen sehr kritisch
Bei der Gewerkschaft sieht man die neue Technik trotzdem „außerordentlich kritisch“, sagt Jörg Lauenroth-Mago. „Wir glauben, dass dadurch auf lange Sicht Arbeitsplätze in Gefahr sind“, erklärt der Fachbereichsleiter Handel im verdi-Landesbezirk Mitteldeutschland. Zudem zweifelt er die Kundenfreundlichkeit der neuen Systeme an. „Vor allem ältere Leute kommen schlecht damit zurecht“, meint er.
Die Gewerkschafter haben auch im Blick, dass sich mit den SB-Kassen die Arbeitswelt verändert. „Die Kollegen machen da einen sehr komplizierten Job“, sagt Lauenroth-Mago. Sie müssen mehrere Kassen gleichzeitig im Blick behalten und nicht zuletzt darauf achten, ob auch alles eingescannt und bezahlt wird. Sie müssen Kunden helfen, die durch ein technisches Problem genervt sind.
Und sie müssen Leute ansprechen, die etwas an der Kasse vorbeischmuggeln wollen. Das berge Konfliktpotenzial und erfordere viel Sozialkompetenz. Die neuen Kassen seien eine Entwicklung, die man nicht verhindern könne. „Aber wir werden bei den Entgeltstrukturen darauf achten, dass diese Stellen auch entsprechend bezahlt werden“, sagt der Gewerkschafter. (mz)