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Ein Jahr nach schwerem Unfall Ein Jahr nach schwerem Unfall: Wie es dem Arzt geht, der von Crossfahrer verletzt wurde

Von Susanne Schedwill und Frank Schedwill 24.06.2019, 07:00
Dr. Michael Müller am Schreibtisch seiner Praxis
Dr. Michael Müller am Schreibtisch seiner Praxis Susanne und Frank Schedwill

Stolberg/Nordhausen - Dr. Michael Müller sitzt an dem Schreibtisch in seinem Sprechzimmer. Auf dem Bord an der dunkelgrünen Wand stehen Modelle verschiedener Gelenke. Viele Jahre arbeitete der gebürtige Cottbuser in der Sangerhäuser Heliosklinik, war dort Chefarzt in der Unfallchirurgie. 2015 eröffnete er dann seine eigene Praxis in Nordhausen.

Unzähligen schwerst verletzten Menschen hat der Mediziner in seinem Berufsleben geholfen. Umso tragischer ist das, was dem 59-Jährigen vor etwas über einem Jahr widerfuhr.

Pfingstausflug mit fatalen Folgen

Pfingstmontag 2018 sollte sich das Leben von Michael Müller innerhalb weniger Sekunden dramatisch ändern. An diesem sommerlichen Tag ist er mit seiner Frau und einem befreundeten Ehepaar auf Radtour.

Sie sind gerade im Wald auf dem sogenannten Fürstenweg zwischen Rottleberode und Stolberg unterwegs, als ein unbekannter Motorradfahrer mit seiner Crossmaschine den Arzt regelrecht ummäht und dann, ohne dem Schwerstverletzten Hilfe zu leisten, vom Unfallort flüchtet. Der Nordhäuser stürzt und erleidet dabei Hirnverletzungen und Knochenbrüche.

An den Tag, der sein Leben so nachhaltig ändern sollte, hat der Arzt keine Erinnerung mehr, ebenso wie an die folgenden drei Monate, die er zum Großteil in Bad Liebenstein in einer neurologischen Frühreha verbracht hat.

Keine Zweifel an Rückkehr ins Berufsleben

„Das war und ist schwierig“, sagt Müller, ein schlanker, groß gewachsener Mann. Dass er jemals wieder praktizieren könne, daran haben einige seiner Kollegen nicht mehr geglaubt. Er selbst hat daran aber nie gezweifelt. „Es gab tatsächlich keinen Moment, in dem ich dachte, das wird nichts mehr“, sagt er.

Weder sein medizinisches Wissen, noch seine medizinischen Fähigkeiten habe er durch den Unfall verloren. Selbst während der Reha habe er Mitpatienten medizinische Sachverhalte erklärt.

Gleichwohl spüre er noch heute Unfallfolgen. Vor allem das Gleichgewicht bereite ihm immer wieder Probleme, sagt er. Er hofft, dass auch hier die Zeit weitere Verbesserungen mit sich bringt. Vor wenigen Tagen hat er die Unfallstelle bei Stolberg das erste Mal besucht. „Doch da kam keine Erinnerung.“

Finanzielle Herausforderung

Heute denke er über viele Dinge anders nach. „Die Familie ist wichtiger geworden und ich bin froh, dass ich lebe und wieder Spaß am Leben habe“.

Wirtschaftlich waren die vergangenen Monate für den selbstständigen Arzt aufgrund der langen Krankheit eine Herausforderung. Seit Oktober vergangenen Jahres arbeitet er wieder – anfangs nur wenige Stunden am Tag, mittlerweile wieder mehr.

Seine Patienten, die vor allem aus dem Sangerhäuser Raum und dem Landkreis Nordhausen stammen, waren alle sehr froh, dass er sich wieder zurück gekämpft hatte.

Vom Unfallverursacher fehlt weiter jede Spur

Der Unfallfahrer, der den Arzt so schwer verletzte, ist bis heute nicht gefasst. Diesen Umstand kann Dr. Müller kaum begreifen. „Ich hoffe natürlich weiter, dass derjenige irgendwann zur Rechenschaft gezogen wird“, sagt er.

Das hofft auch die Staatsanwaltschaft Halle. Das Verfahren sei zwar mittlerweile eingestellt, bestätigt Klaus Wiechmann, der Sprecher der Behörde. „Wir geben aber die Hoffnung nicht auf.“

Staatsanwaltschaft gibt Hoffnung nicht auf

Während der Ermittlungen habe es einen Anfangsverdacht gegen einen jungen Mann aus der Gegend gegeben. Die Staatsanwaltschaft habe verschiedene Gutachten eingeholt. Dabei ist es nach MZ-Informationen auch um DNA-Spuren gegangen. „Der Verdacht hat sich aber in sämtlichen Gutachten nicht erhärtet“, so Wiechmann.

Er hat, wie er sagt, „aber die Akte des Falls auf lange Frist gelegt“. Das bedeutet, dass sie in der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft in Halle verbleibt und nicht ins Archiv wandert. „Wir haben somit immer Zugriff darauf und können das Ermittlungsverfahren sofort wieder aufnehmen, wenn sich neue Anhaltspunkte ergeben.“

Das sei die übliche Praxis, die die Staatsanwaltschaft auch bei ungeklärten Tötungsverbrechen anwende. „Ich spreche außerdem regelmäßig mit der Polizei, ob es neue Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen gibt“, verspricht Wiechmann. Die Kripo sei natürlich sensibilisiert.

Der Staatsanwalt hofft außerdem weiter auf Hinweise aus der Bevölkerung. „Über den Vorfall wird in der Region ja weiter geredet.“ Und es wäre nicht er der erste ungeklärte Fall, der nach Jahren erfolgloser Ermittlungen doch noch gelöst werden kann, so Wiechmann. Der Motorradfahrer, der Michael Müller umgefahren hat, sollte sich also nicht allzu sicher fühlen. (mz)

Hinweise nehmen die Kripo Eisleben unter Telefon 03475/670293 oder jede andere Polizeidienststelle entgegen.

 

Auf diesem Weg wurde der Arzt angefahren und schwer verletzt.
Auf diesem Weg wurde der Arzt angefahren und schwer verletzt.