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Die Möbel eilig nach oben getragen

Von Heinz Noack 20.02.2008, 16:56

Kelbra/MZ. - Fritz Rößler weiß, was beim letzten großen Hochwasser am 14. Januar 1948 in Kelbra los war. Alles kam zusammen: Schneeschmelze und Regen. Und da es noch keinen Helmestaudamm gab, war klar, dass die Riethstraße wieder einiges abbekommen würde. Die Bewohner der höher gelegenen Straßen waren besser dran, dorthin haben Rößlers eilig ihr Vieh hingebracht, während die Möbel ein Stockwerk höher gebuckelt wurden. Und dann kam schon auch das Wasser. "1948 reichte es an unserem Wohnhaus bis zur Fensterunterkante", erinnert sich Fritz Rößler weiter. "In der Stube stand es rund einen halben Meter hoch."

Die Riethstraße hatte in Kelbra damals den Namen "Hafenviertel" erhalten. Die Anwohner waren immer auf ein Hochwasser vorbereitet. "Das gehörte dazu", sagt Fritz Rößler. "Ungefähr aller zehn Jahre

hatten wir Wasser in der Wohnung", schätzt er. Es lief zwar meist sehr schnell wieder ab, aber bis die Möbel wieder eingeräumt werden konnte, musste immer ein bis zwei Monate gewartet werden. "Der Fußboden war immer feucht", äußert er rückblickend.

Keller, die ausgepumpt werden mussten, gab es keine in dieser Straße. Die Kartoffeln wurden im Garten eingemietet. Die Feuerwehr baute bei Hochwasser Stege, damit die Leute aus ihren Häusern trockenen Fußes in die wasserfreien Stadtteile gelangen konnten. Dazu stellte sie Böcke auf, verband sie mit Leitern und legte Bohlen darauf. Meist nur für einen Tag, dann fiel das Wasser wieder. Aber in den Niederungen blieb es oft noch sehr lange stehen. Was gar nicht schlecht war. "Das war gut für die Bewässerung unserer Wiesen", sagt Fritz Rößler und fügt hinzu: "Auch für uns Kinder hatte das Hochwasser seine guten Seiten. So konnten wir in manchen Jahren von Kelbra fast bis nach Heringen Schlittschuh laufen. Damals gab es noch sehr kalte Winter. Sogar Eisfeste wurden in Kelbra gefeiert."

Auch in anderen Orten wurde das letzte schwere Helmehochwasser in den Chroniken vermerkt. In Hohlstedt reichte die Flut bis zur Ortsmitte. So schreibt Willy Hörold (1893-1965) in seiner Chronik, dass es am 13. Januar 1948 nachts gegen 22 Uhr Hochwasseralarm gab. "Die Flut kam am 14. Januar. Viele Keller waren unter Wasser. Das Vieh wurde in höher gelegene Gehöfte gebracht."

Fritz Rößler zeigt an der Kelbraer Mühlgrabenbrücke, wie hoch das Wasser seinerzeit gestanden hat. "Das ist die Markierung vom 14. Januar 1948", erklärt der Stadtchronist. "Damals stand das Wasser hier umgerechnet 3,88 Meter hoch." Die alte sichtbare Einteilung am südlichen Widerlager der Brücke ist noch in Preußischen Fuß angegeben. Ein Preußischer Fuß beträgt exakt 31,385 Zentimeter.

Nachdenklich steht Fritz Rößler vor den Hochwassermarkierungen. Sein Vater Friedrich Rößler (1873-1952) hat bis auf das Jahr 1847 sämtliche hier vermerkten Hochwasser miterlebt. Eingemeißelt sind in der Mauer aus rotem Sandstein die Wasserstände vom 28. Januar 1847, 31. Dezember 1925, 10. März 1881, von 1946 und vom 14. Januar 1948. Der höchste Wasserstand war 1881 und 1946 mit über vier Metern. Die Flut stand damals bis kurz unter den Brückenbögen. "Nördlich um Kelbra war alles ein einziger See", so Fritz Rößler. Auch große Teile vom Altendorf waren jedes Mal betroffen.