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Der lange Weg zum «richtigen» Job

Von HELGA KOCH 08.02.2011, 17:31

SANGERHAUSEN/MZ. - Verena Hartmann, 21, ist eine von den Ruhigen. Eine, die ihre Arbeit macht und mag. Sie hat eine Förderschule für Lernbehinderte besucht, eine Ausbildung zur Hauswirtschaftlerin im Hettstedter Kolpingwerk absolviert und arbeitet seit ungefähr einem halben Jahr halbtags als Reinigungskraft für die Firma Herrmann & Tallig Objektdienste GmbH im Sangerhäuser Krankenhaus.

Über den Job freut sich die 21-Jährige riesig. Denn ihr Weg war lang, weder geradlinig noch einfach. Doch sie bekam Unterstützung von mehreren Seiten. Zum Beispiel von Gerald Krock, der in der Sangerhäuser Agentur für Arbeit Rehabilitanden und Schwerbehinderte berät und auch mit den Jugendlichen in der Förderschule sprach.

Ein Jahr später, als Verena Hartmann ein berufsvorbereitendes Jahr an der Berufsschule absolvierte, trafen sich beide erneut, um mögliche Berufe für sie zu finden. "Ich hätte mir einen Beruf mit Kindern gewünscht", sagt die 21-Jährige. "Nach dem Berufsvorbereitungsjahr haben wir uns die Zeugnisse der Förder- und der Berufsschule angeschaut. Verena ist eine sehr Ruhige und sehr fleißig", erzählt Gerald Krock. Doch es gab kleine gesundheitliche Beeinträchtigungen, ein paar Probleme beim Lernen. "Wenn sie eine Ausbildung machen würde, dann würde sie viel Hilfe brauchen, wusste ich."

Die hat sie bekommen: im Kolping-Berufsbildungswerk Hettstedt. Sie zog ins Wohnheim, lernte selbständig zu werden. Sie erhielt eine Ganztagsbetreuung, auch Lernstunden, schildert Ausbildungsleiter Dirk Scheffler: "Wir wollen die Leute fit machen für den ersten Arbeitsmarkt und werden daran gemessen." Im Landkreis liegt die Vermittlungsquote des Kolpingwerkes über 80 Prozent.

"Verena Hartmann hat eine deutliche Entwicklung genommen", bestätigt Sozialarbeiterin Andrea Lukannek vom Kolpingwerk. Sie hält bis heute mit Verena Hartmann Kontakt. Als Sohn Leon-Elias unterwegs war, der kürzlich zwei geworden ist, wollte Verena Hartmann eigentlich nur kurz pausieren und nach dem Mutterschutz die Ausbildung fortsetzen. Doch so glatt lief es nicht, denn zu Beginn der Schwangerschaft fiel sie öfter aus und nahm die Erziehungszeit, um die Ausbildung zu schaffen. "Wenn der Kleine geschlafen hat, habe ich gelernt", erinnert sie sich. "Aus drei Ausbildungsjahren wurden vier", sagt Gerald Krock.

Gemeinsam mit Katrin Kreller-Schmidt vom Kopingwerk kümmert er sich um die Vermittlung der Absolventen. Kontakte zu Arbeitgebern der Region wurden geknüpft, Bewerbungen geübt, Vorstellungsgespräche trainiert. Zum Integrationstag kam auch Ralf Simon, Technischer Leiter der halleschen Firma Herrmann & Tallig, ins Kolpingwerk. Er übte Vorstellungsgespräche mit den Hauswirtschaftslehrlingen, darunter Verena Hartmann. Das erste Vorstellungsgespräch wurde ausgewertet, ein nächstes geprobt. "Das ist bei den Jugendlichen sehr gut angekommen", sagt Katrin Kreller-Schmidt. Sie hätten zum Beispiel erfahren, dass potentielle Arbeitgeber Fehltage als Unzuverlässigkeit werten. Und dass das Abschlusszeugnis fürs ganze Leben zählt.

Das Kolpingwerk bilde zwar keine Gebäudereiniger aus, aber es gebe durchaus "unentdeckte Talente bei den Hauswirtschaflern". Reinigungsarbeiten machen etwa ein Drittel der Ausbildungszeit aus. Verena Hartmann hat auf ihrem Abschlusszeugnis einen Durchschnitt von 2,24 erreicht und den Hauptschulabschluss nachgeholt.

"Später hat Frau Hartmann noch eine richtige Bewerbung abgegeben und hatte auch noch ein richtiges Vorstellungsgespräch", erzählt Ralf Simon. "Wir haben drei Absolventen eingestellt. Nur bei ihr hat es funktioniert." Sie sei ein Musterbeispiel, dass junge Menschen trotz schwieriger Voraussetzungen durchaus zu einem Job auf dem ersten Arbeitsmarkt finden könnten, lobt er die junge Frau. "Heute bräuchten viele Firmen Sozialpädagogen."

Verena Hartmann wurde nicht nur während der Ausbildung, sondern auch darüber hinaus, als sie schon in der Firma arbeitete, übers Kolpingwerk betreut. Dazu gehörte, den kleinen Leon-Elias in der Kindertagesstätte des Kolpingwerkes unterzubringen, eine Wohnung in Hettstedt, schließlich auch eine neue Wohnung und Kindertagesstätte in Sangerhausen zu suchen. "Ein Jahr dauert die Nachbetreuung, gern auch länger", sagt Katrin Kreller-Schmidt.

Verena Hartmann begann in Hettstedt zu arbeiten, erwarb mehr Selbstvertrauen und fand auch Kontakt "zur Mannschaft", wechselte dann nach Sangerhausen, wo die Eltern näher wohnen und am Wochenende, wenn sie arbeitet, Leon betreuen können. "Sie ist für uns ein Gewinn. Dass wir sie eingestellt haben, ist nicht nur eine Geste", versichert Ralf Simon. Für junge Mütter sei es schwierig, die Arbeits- und Krippenzeiten unter einen Hut zu bringen. Mitunter gebe es Spannungen unter den Kollegen, wenn jemand wegen der Krankheit des Kindes ausfällt. Er schätze an Verena Hartmann, dass sie Probleme selbst zu lösen versucht - im Gegensatz zu vielen anderen Jugendlichen.