«Aktion Eichhörnchen» hat geklappt
ALLSTEDT/MZ. - "Aktion Eichhörnchen: Alle Eichhörnchen, die sich noch nicht haben fotografieren lassen, werden gebeten, sich schnell einzufinden." Diese Durchsage der Schulsekretärin Anke Voss irritierte Schulleiter Ditmar Reinhold zwar ein wenig, aber er wäre nie im entferntesten darauf gekommen, dass es hier eigentlich um ihn ging. Die Lehrer wollten nämlich von sich ein Abschiedsfoto für ihren Chef schießen lassen, um es zum Abschied zu schenken.
Viel Geheimniskrämerei
Das Gruppenbild war jedoch der geringste Teil, dessen, was sich unterm "Deckmantel Eichhörnchen" in den vergangenen Wochen in der Schule abspielte. Ein ganzes Abschlussfest wurde aus dem Boden gestampft. Und so hörte der Chef noch oft "Eichhörnchen" über die Schulflure raunen, und wusste mit der plötzlichen Begeisterung seines Kollegiums für Nagetiere nichts anzufangen.
Als Ditmar Reinhold an seinem letzten Schultag vorm Ruhestand bei einem kleinen Appell auf dem Schulhof von vielen, vielen Schülern Blumen überreicht bekam, war er schon hin und hergerissen. Aber das war noch gar nicht die ganze Aktion, wie er am Abend erlebte. Er wurde von daheim abgeholt. Unter fadenscheinigen Gründen "das Auto würde brennen" setzte ein Kollege den 59-Jährigen und dessen Ehefrau nicht wie angekündigt zur Abschiedsfeier in der Schule ab, sondern mitten auf dem Markt. "Und dann bog unser Hausmeister mit dem Trecker und einem Anhänger ein. Der Wagen war geschmückt, darauf stand ein Thron und ich bekam eine Robe umgehängt", schilderte Reinhold. Vielen, vielen Leuten sei man unterwegs begegnet, denen er huldvoll zugewunken habe. Vor der Schule dann warteten die Kollegen - auch zahlreiche Ehemalige - auf "ihren Chef". Das ging ihm dann doch nahe. "Ich habe großartige Kollegen in Allstedt", sagte er.
Große Schule in der Stadt
Dabei war Allstedt nicht unbedingt Reinholds erste Wahl. Nach der Wende wurde die Schule in Wolferstedt, wo er bis dahin Direktor gewesen war, geschlossen. "Das war eine Aufregung damals. Die Kinder aus Wolferstedt sollten nun in die große Stadtschule gehen, und hatten Angst sich dort zu verlaufen", erinnerte sich Reinhold, der seinen Schützlingen damals aber versicherte, mit ihnen gemeinsam nach dem Schulausgang zu suchen. "Ich wollte eigentlich als Lehrer nach Allstedt. Meine Frau hielt mich an, mich doch als Schulleiter zu bewerben. Und da saß ich nun in meinem Büro und kannte keinen. Den ersten Dienstplan habe ich nach der Namensliste und der Qualifikation der Kollegen erstellt", erinnerte sich Reinhold an seinen ersten Arbeitstag in der "großen Schule". Sein Vorgänger, Peter Behn, habe es ihm aber damals sehr leicht gemacht und sei ein sehr fairer Kollege gewesen.
Auch zum Lehrersein kam Reinhold, der aus dem Erzgebirge stammt, eher zufällig. Eigentlich hatte er in Zschopau Dreher gelernt. Doch statt an den geliebten schnellen Maschinchen zu schrauben, fand er sich nach der Lehrzeit im Dreischichtsystem wieder und bestückt Maschinen. Das könne doch nicht alles gewesen sein, fand er. Er ging als so genannter Arbeiterstudent nach Erfurt an die Pädagogische Hochschule, machte sein Abitur nach und wurde Lehrer für Mathematik und Physik. Er lernte dort auch seine Frau kennen und lieben. Auch sie ist Lehrerin für Kunsterziehung und kommt aus Mittelhausen. Der erste Einsatzort der Beiden hieß Scheibenberg im Erzgebirge. "Eigentlich brauchte man dort nur meine Frau als Kunsterzieherin. Mathelehrer gab es genug", erinnerte sich Reinhold, der sich deshalb als Horterzieher wieder fand. "Das Jahr als Erzieher hat mir später auch bei meinem beiden Söhnen weiter geholfen. Hausaufgaben kontrollieren." Als die vierköpfige Familie ein Haus bauen wollte, war das im Urlauberort Scheibenberg nicht möglich, wohl aber in Mittelhausen. Und so trat Ditmar Reinhold am 1. August 1978 seinen Dienst als Mathe- und Physiklehrer an der damaligen Polytechnischen Oberschule in Wolferstedt an. Als ein neuer stellvertretender Schulleiter gebraucht wurde, sprach man gleich den jungen neuen Kollegen - Ditmar Reinhold eben - an.
In Mittelhausen sesshaft
1981 absolvierte er in Potsdam ein Direktorenstudium und war ab 1. August 1981 Direktor der POS Wolferstedt. "Wir waren ein kleines Kollegium im ländlichen Bereich. Fast wie eine Familie", sagte Reinhold. 170 Kinder und Jugendliche aus Einsdorf, Mittelhausen, Winkel, Klosternaundorf und Wolferstedt von der 1. bis zur 10. Klasse besuchten die Schule. "Der Direktor hielt damals die Rede zu Einschulung, zur Jugendweihe und zur Abschlussfeier. Man hat die Kinder eine lange Zeit begleitet."
Warum nun eigentlich "Code Eichhörnchen" als Deckmantel für die Organisation der Abschiedsfeier gewählt wurde, damit musste Anke Voss zu guter Letzt auch noch herausrücken. Das hätte nämlich mal mit einem Besuch des Schulrates zu tun. Die Reinigungskraft wurde dazu "verdonnert", nach einem Herrn in Schlips und Anzug Ausschau zu halten, und sofort im Sekretariat Bescheid zu geben, wenn sie einen solchen Herrn sähe. Die Frau bewies Humor, stand stramm und sagte zu Anke Voss: "Aktion Eichhörnchen geht klar."
Ganz ohne seine Schule wird Reinhold nicht auskommen. Jetzt will er nämlich regelmäßig die Baustelle an der Sekundarschule besuchen: "Jemand muss doch den Baufortschritt festhalten, wenn alle anderen in Eisleben im Ausweichquartier sind." Dass die 31 Jahre alte Schule nun endlich saniert wird, sieht der Schulleiter a.D. nämlich als größtes Abschiedsgeschenk an.