50 Jahre nach dem Abschluss 50 Jahre nach dem Abschluss: Geschichten von Jungpionieren und Jugendliebe

Sangerhausen - Sie hat ihn doch noch bekommen. Es hat zwar seine Zeit gedauert, doch Engeline Hahn ist jetzt mit dem Mann zusammen, den sie „schon zur Jugendweihe ganz toll“ fand. In der Goetheschule saß sie neben Ralf Heppner; von den Jungs in ihrer Klasse hatte er es ihr angetan - ein Paar sind sie aber erst mit über 60 geworden. „Dabei haben wir alle gewusst: Die gehören zusammen“, verrät Ingrid Wilutzky, die mit beiden die Schulbank drückte. Das ist jetzt auch schon wieder so lange her, dass jetzt das Goldene Klassentreffen ansteht; sprich: 50 Jahre nach Abschluss an der Polytechnischen Oberschule (POS).
Erinnerungsstücke aus der Schulzeit mitgebracht
Und Ralf Heppner ist bestens darauf vorbereitet. Im Kreise seiner einstigen Klassenkameraden kramt er plötzlich die alte Fibel hervor, die zu Hause noch irgendwo zwischen Tafelwerk und Jugendweihe-Buch lag: „Weltall, Erde, Mensch“, steht auf dem Schinken, den in der DDR jeder Jugendliche zur Feierstunde in die Hand bekam. „Das war damals im Speisesaal der Mafa“, erinnert sich Engeline Hahn und zeigt ein Foto, auf dem gerade Schuldirektor Helmut Ohlendorf spricht.
Es gibt wahrscheinlich nur wenige Schulklassen, die auch nach 50 Jahren noch so viele Erinnerungsstücke beisammen haben. Mehrere Alben und dicke Ordner füllen die Fotos und Dokumente. Wer sich schon so oft wie die Abgänger von 1966 getroffen hat, der hat alles gut archiviert. Ilona Drescher gilt als Drahtzieherin hinter dieser kleinen Galerie: „Früher wurde doch mehr fotografiert als man denkt“, sagt sie.
Sie erinnert sich an so viele schöne Momente, an ihre Klassenlehrer Arthur Müller und Günther Sackel, von denen oft jemand beim Klassentreffen dabei war. „Doch das 50. ist das erste ohne Lehrer“, erzählt sie fast schon etwas traurig. „Denn es sind ja alle älter geworden.“ Auch die Schulabgänger. Jetzt, mit durchschnittlich 66 Jahren, wollen sie sich öfter treffen, um in Kontakt zu bleiben. „Es ist egal, wann wir uns sehen“, freut sich Waltraud Ehrt. „Ich will nichts verpassen und nehme immer die Fahrt von Stralsund in Kauf.“ Sie sei nicht besonders groß, gibt sie lachend zu: „Aber die Kleinste wie in der Schule bin ich auch nicht mehr.“
Denn wer wie sie kurz vorm Stichtag am 1. Juni geboren wurde, kam gerade noch so mit seinem Jahrgang in die Schule, war dann aber oft der oder die Jüngste: „Und wie traurig ich war, als alle anderen schon ihre Personalausweise hatten und ich mir noch wie ein Kind vorkam“, erinnert sie sich. Doch das Aufwachsen in Sangerhausen sei wunderschön gewesen, fügt sie hinzu. Mit Ilona Drescher hat sie Tür an Tür gewohnt, von der ersten bis zur letzten Klasse gingen beide Mädchen gemeinsam zur Schule. „Wir waren eifrige Pionierinnen“, berichtet sie. „Aber wer war das nicht?“
Mit FDJ-Bluse zum Klassentreffen
Engeline Hahn hat sogar aus Spaß ihre blaue FDJ-Bluse zum Klassentreffen mitgebracht. Ein von ihr aufgehobener Aufsatz erzählt, wie sie als fleißige Pionierin für 1,60 Mark einen Nachmittag lang Zuckerrüben gezogen hat: „Heute lachen wir doch darüber, wie eifrig wir damals bei der Sache waren“, meint sie. Aber die Sache mit den Rüben hatte auch ihr Gutes, schrieb Jungpionierin Engeline: „Denn Zucker essen alle Kinder gern.“
Sie habe ihre alten Schulsachen nie entsorgt. Nicht bewusst, aber irgendwo habe sie einfach vergessen, dass da noch Pionierausweise, Bücher und Sportmedaillen herumliegen. „Geschadet hat es nicht“, sagt sie zum Klassentreffen und zeigt ihre selbstgefärbte Schürze im Batic-Stil aus dem Handarbeitsunterricht - auch schon über 50 Jahre alt.
„Die Zeit ist schnell vergangen, wir alle sind Rentner“, so Ilona Drescher. „Unsere alten Sachen werfen wir aber nicht weg. Denn irgendwann kommt ja das Klassentreffen zum 60.“ (mz)
