19-Jährige aus Sangerhausen beim IS 19-Jährige aus Sangerhausen beim IS: Eltern wollten Leonora aus Syrien schmuggeln
Sangerhausen - Im schwarzen Nikab steht Leonora M. aus Sangerhausen im Flüchtlingslager im Nordosten Syriens, ihre 16 Monate junge Tochter Habiba auf dem Arm. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Stern spricht die 19-Jährige über ihre Radikalisierung und den Alltag beim Islamischen Staat (IS).
Leonora M. aus Sangerhausen: „Zuerst war ich gar nicht auf dem ISIS-Trip“
„Zuerst war ich gar nicht auf dem ISIS-Trip. Ich hatte kurdische Freunde und durch die habe ich den Islam kennengelernt“, sagt Leonora. „Meine Eltern sind ja Deutsche, mit Islam haben die absolut nichts zu tun.“ Sie sei dann durch das Internet zum IS gekommen, eine Französin habe sie in eine Whats-App-Gruppe eingeladen. „Dort wurde viel geschrieben und Propaganda gemacht“, schildert Leonora. „Ganz schnell, dann war ich mittendrin.“
Den Islam hätte sie in Breitenbach nicht ausleben können. „Ich wollte mich mit einem Kopftuch bedecken, aber ich wusste, dass das in meiner Region nicht geht“, so Leonora. Ein Kopftuch für eine Deutsche stoße da auf Unverständnis. „Es kam alles Stück für Stück und ich bin nach Syrien gegangen, weil ich dachte, es löst sich alles auf einmal, dort kann ich Kopftuch tragen, heiraten und Kinder bekommen. In Deutschland wird man gleich als asozial abgestempelt, wenn man unter 18 Jahren ein Kind bekommt“, sagt sie. Dann könne man auch keine Arbeit bekommen.
Martin Lemke schloss sich dem IS 2014 an und lebte in Syrien. Er stieg als einer von wenigen Deutschen bei der Terrorgruppe auf. Lemke war vermutlich in Syrien nicht nur Angehöriger der Sittenpolizei des IS, sondern soll Kader der Amnijat, so etwas wie der Geheimdienst des IS, geworden sein.
Ein auf das Jahr 2015 datiertes Foto zeigt ihn vor einer Stadt im Nahen Osten. Dort soll Lemke in einem Stadion an Hinrichtungen beteiligt gewesen sein und Gefangene enthauptet haben, wie ehemalige IS-Kämpfer in den Medien behaupten. Eine entsprechende Aussage soll ein Mann aus dem Nordirak gemacht haben, der Lemke bereits aus Zeitz kannte.
Am 2. November 2014 fliegt Lemke mit seiner Familie von Hannover nach Istanbul und von da aus weiter nach Syrien. Er folgt dem Ruf ins Kalifat. Dort angekommen heiratet er Leonora aus Sangerhausen, die als damals 15-Jährige zum IS gegangen war. Sie ist seine dritte Frau.
„Ich dachte, wenn ich nach Syrien gehe, kann ich voll das islamische Leben führen.“ So sei es in den Whats-App-Gruppen rübergebracht worden. Später in Syrien habe sie drei Tage in einem Frauenhaus verbracht und dort ihren Mann Martin Lemke geheiratet.
Leonora M. aus Sangerhausen: „Ich saß dann im Gefängnis und mein Mann auch“
Nach einem halben Jahr sei sie in Syrien festgehalten worden, weil sie versucht habe, den IS wieder zu verlassen, behauptet Leonora. „Da habe ich meinen Eltern gesagt: ’Ich will absolut zurück’.“ Dann hätten ihre Eltern versucht, ihr mit einem Schmuggler bei der Flucht zu helfen. Dieser sei allerdings enttarnt worden. „Ich saß dann im Gefängnis und mein Mann auch.“
Vermisst an Deutschland habe sie neben ihrer Familie das Essen. „Ostdeutsche Hausküche, Kartoffelklöße, aber auch Fast Food wie McDonald’s“, sagt Leonora und erzählt es, als hätte sie eher an einem Austauschprogramm für Jugendliche teilgenommen als Mitglied einer Terrororganisation gewesen zu sein.
Leonora M. aus Sangerhausen: Ich weiß ja nun zu schätzen, was ich an Deutschland habe“
Über ihre Zukunft hat sie sich ebenfalls schon Gedanken gemacht. „Erst mal muss ich raus. Dann habe ich bestimmt viele Gerichtstermine und Papierkram“, sagt sie. Es sei ja illegal, Mitglied einer Terrororganisation zu sein. Zudem wolle sie einen Schulabschluss machen. „Wenn ich die Möglichkeit bekomme, nach Deutschland zurückzukehren, mache ich mir keine Sorgen. Ich weiß ja nun zu schätzen, was ich an Deutschland habe.“ (mz)