Spendenaktion im Harz Wernigeröderin rettet Palästinenser aus der Kriegshölle in Rafah
Flucht aus der Lebensgefahr: Mahmoud kann sich von Rafah im Gaza-Streifen nach Ägypten in Sicherheit bringen − auch dank Spenden aus dem Harz. Warum es so schwierig war, ihm zu helfen.

Wernigerode/Rafah. - Die letzten Tage waren kaum mehr zu ertragen: Tod, Hunger, Leid und Verzweiflung überall in Rafah, dem Ort im Süden des Gazastreifens, wo palästinensische Flüchtlinge dicht zusammendrängt Schutz suchen. Mittendrin in dieser real gewordenen Hölle leben Mahmoud, dessen Nachnamen wir aus Sicherheitsgründen nicht nennen, und seine Eltern. „Wenn wir nicht durch Bomben sterben, dann sterben wir auf jeden Fall durch den Hunger“, schreibt der 38-jährige Palästinenser per WhatsApp in einer von seinen Hunderten Nachrichten an seine Freundin Regina Bernhardt, 61, in Wernigerode.
15.000 Euro an Spenden kommen zusammen
Doch seinen Tod lässt sie nicht zu: Die Lehrerin an der Hochschule Harz sammelt Spenden − mehr als 15.000 Euro, genug, um Mahmoud auf die Einreiseliste der ägyptischen Behörden zu bringen. Am Mittwochabend dann nach fünf Wochen Bangen die erlösende Botschaft: Mahmoud ist gerettet. Er konnte Rafah verlassen. Kann nun wieder an einem Tisch sitzen, in einem richtigen Bett liegen − und endlich seine Frau Arwa, 35, sowie die drei Söhne Zain, 2, Ward, 11, und Muhammad, 12, wieder in die Arme nehmen. Die vier sind bereits am 25. Februar nach Ägypten geflohen und leben dort bei Freunden. Arwas Familie im Westjordanland hatte dafür das notwendige Geld zusammengepumpt. Für Mahmoud jedoch reichte es nicht.
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Am 28. Februar ruft Regina Bernhardt deshalb in ihrer Not eine Spendenaktion ins Leben − auch über die Zeitung. Die Hilfsbereitschaft, die sie erfährt, ist überwältigend. „Bis heute haben 103 Menschen gespendet“, sagt sie. Etwa ein Drittel der Summe komme aus dem Harz. „Das war der Grundstock“, sagt sie. Der Rest wird aus Dubai, der Schweiz, den Niederlanden oder New York überwiesen. Und selbst jüdische Israelis spenden Geld für die Rettung des Palästinensers. Eine Frau aus dem Harz überweist 1.000 Euro. Ihren Namen hat Regina Bernhardt nie zuvor gehört.

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Wie fühlt man sich, wenn man einem Menschen das Leben gerettet hat? Regina Bernhardt überlegt kurz, muss Tränen unterdrücken. Noch fühle es sich unwirklich an. Zu lange hat sie auf diesen Moment hingearbeitet. Gehofft. Gebangt. „Es war ein gemeinsames, solidarisches Werk von vielen Menschen, die sich beteiligt haben“, sagt sie. Und es habe auch ihr geholfen. „Ich konnte so aus meiner Hilflosigkeit herauskommen, habe eine Sinnhaftigkeit im Leben gefunden.“
Sparkasse: Warum fließt Geld in Kriegsregion?
Schnell stellt sich heraus, dass es extrem schwierig ist, das Geld dorthin zu schaffen, wo es gebraucht wird. So laufen etwa die Bemühungen über Western Union ins Leere: Die Mitarbeiter an der Ausgabestelle in Ägypten finden immer neue Gründe, keine Dollar an Mahmouds Frau Arwa herauszugeben. In Rafah ist gar kein Bargeld zu bekommen. Am Ende fließen die Spenden ganz bodenständig über die Harzsparkasse − auch wenn skeptische Mitarbeiter nachfragen, warum Geld in eine Kriegsregion überwiesen wird − an die Bank of Palestine und können dann in Ägypten abgehoben werden.
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Jetzt hofft Regina Bernhardt, dass auch Mahmouds Eltern bald nach Ägypten folgen werden. Das notwendige Geld dafür ist gespendet und überwiesen, und sie stehen auch schon auf der Liste. Wie es für die Familie, deren Haus in Gaza zerbombt wurde, nun weitergeht? „Ich weiß es nicht“, sagt Regina Bernhardt. Doch sie sind wieder zusammen, alle leben. Das ist sicher nicht die schlechteste Ausgangsposition.