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Von Wadenkrämpfen geplagt

28.05.2006, 15:33

Badeborn/MZ/bü. - Zum inzwischen 23. Fassrollen unter dem Motto "Die Welt zu Gast beim Fassrollen in Badeborn" hatte ein fast einsamer Kämpfer die Aufgabe, traditionell ein 50 Liter-Bierfass von Hoym nach Badeborn zu rollen. Ein neuer Rekord wurde es angesichts der widrigen Wetterbedingungen nicht, doch den hatte der in diesem Jahr auserwählte Thomas Schumann, wie alle Vorgänger natürlich ein waschechter Badeborner, auch nicht erwartet: "Hauptsache, ich komme an. Vielleicht unter einer Stunde.!

Für seinen jahrelangen Traum, einmal dabei zu sein, hatte der Neunzehnjährige seit Wochen fleißig trainiert, vor allem auf den Feldwegen. Eine ganze Distanz allerdings stand nicht auf seinem Programm. Dafür hatte der Fußballer im örtlichen Verein nur begrenzt Zeit, steht doch auch der Ausbildungsabschluss an. Wie kein Teilnehmer zuvor hat er die engste Bindung zum Inhalt des Fasses. Er absolvierte eine Lehre zum Biermälzer in der Wittinger Brauerei. Doch heimliches Training während der Arbeit ging nicht, da dort in anderen Dimensionen abgefüllt wird.

"Bestenfalls zur Betriebsfeier wird mal ein Fass gerollt", schränkte er einen Wettbewerbsvorteil ein. Mit einer kräftigen Portion Nudeln und zwei Bier im Magen wurde er am Start in Hoym von seiner aufgeregten Mutter und etwa 500 meist beschirmten Interessenten vom Vereinsvorsitzenden Frank Damm mit großem Beifall auf die Strecke verabschiedet. Dafür hatte er dank der Polizei für einige Minuten sogar Vorrang vor dem Verkehr auf der B 6. Die Dorfjugend auf Fahrrädern, Mopeds und Motorrädern begleiteten ihn ebenso wie mehrere Pferdegespanne. Auch der Rekordhalter der Aktion, Dirk Hilgenfeld (48:33 Minuten), verfolgte interessiert seinen Konkurrenten am Start, glaubte aber schon von Beginn an bei den widrigen Verhältnissen kaum an eine neue Bestmarke.

Während dessen versuchten sich die Einheimischen beim traditionellen Bürgerrollen um den Teichberg auf nicht einmal einem Zehntel der Strecke - rund 550 Meter. Auf den Sieger Maick Saal (3:47 Minuten) wartete bei der abendlichen Feier ein kleines, aber feines Bierfässchen. Andere labten sich am Ziel an leckeren Würsten, auch eine Tradition, die in Verbindung mit dem Wettbewerb entstand. Seit Jahren stopfen am Himmelfahrtsvormittag die zwölf Vereinsmitglieder in der Fleischerei Hulsch per Hand die Grillwürste, die dann binnen weniger Stunden verzehrt sind, dieses Mal 1 200 Stück.

Als eine weitere gute Tradition gestalteten die "Einetaler Musikanten" und der Kindergarten am Zielort das Programm bis zur Ankunft des Athleten. Das unter schützenden Regenschirmen stehende Publikum feuerte Schumann auf den letzten Metern noch einmal an, dann hatte er das Ziel erreicht - nass, erschöpft und mit schweren Beinen. "Unterwegs hatte ich Wadenkrämpfe", beschrieb er seine Tour. "Am schwierigsten waren die Feldwege und der Berg kurz vor Schluss." Ein Platz auf dem Wanderpokal und ein frisches Bier waren die erste Belohnung des Einsatzes für die Badeborner Tradition. Frank Damm, der nicht minder durchnässt war, weil er den Fassroller als Oberkampfrichter die ganze Strecke zu Fuß begleitet hatte, verkündete das offizielle Ergebnis: 70 Minuten und 35 Sekunden. "Kein neuer Rekord - aber angekommen. Noch nie ist ein Fassroller unterwegs auf der Strecke geblieben", berichtete er stolz. Nach dem ausgiebigen Bad in der Menge genoss der Held des Tages danach eines in der Wanne, um zur abendlichen Feier wieder fit zu sein.