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Viele Schaustücke Viele Schaustücke: Echter Indianer in Derenburg

Von Andreas Bürkner 11.03.2016, 17:35
Indianerfan Thomas Merbt eröffnete im Herbst vergangenen Jahres in Derenburg ein Indianermuseum.
Indianerfan Thomas Merbt eröffnete im Herbst vergangenen Jahres in Derenburg ein Indianermuseum. Chris Wohlfeld

Derenburg - Indianer im Harz? Von Hobby-Rothäuten der Ranch bei Neudorf oder der Hasselfelder Westernstadt mag mancher gehört oder sie gesehen haben. Doch den einzigen echten Indianer, „Turned Apple“ genannt, der in Derenburg lebt, kennen die wenigsten. Im Herbst 2015 öffnete er in einem alten Einkaufsmarkt sogar ein Museum, das den Indianerkulturen von Südamerika bis zu den Inuit im eisigen Norden gewidmet ist.

Wenn Thomas Merbt, so der bürgerliche Name, von Besuchen der Indianer-Reservate in den USA erzählt, dann eher bedrückt. „Die Wunden, welche die Besatzer aus Europa seit 1492 den Ureinwohnern angetan haben, sind nicht verheilt - im Gegenteil.“ Vor Jahrzehnten schrieb er sich auf die Fahnen, ihnen zu helfen.

Mit dem Indianer-Virus infizierte ihn einst sein Großvater Paul Lindner. Der gebürtige Dresdener, der den legendären Karl May noch persönlich erlebte, ermöglichte dem kleinen, in Leipzig geborenen Thomas Merbt in den 1950er Jahren den Zugang zu Indianern. „Vor Büchern von May, die er als unrealistisch bewertete, warnte er mich“, erinnert sich der Enkel. Prägend waren für ihn jedoch Besuche im kriegszerstörten Grassi-Museum in Leipzig noch vor der Wiedereröffnung. Dort nahm er erstmals historische Gegenstände der Indianer in die Hand. Auch der legendäre Patty Frank im Karl-May-Museum Radebeul faszinierte ihn. „Mein Großvater hat mich nicht nur für Geschichte interessiert, sondern mir auch handwerkliche Fertigkeiten beigebracht“, erinnert er sich. Das nutzt er auch, um manch markantes Indianergesicht für die Ausstellung selbst zu modellieren.

Auch das Tauschen und Handeln habe er eher im Osten gelernt, obwohl seine Mutter mit ihm nach Goslar in den Westharz zog. Es bildet bis heute die Grundlage für seine umfangreiche Sammlung. 1997 wurde „der von innen nach außen gekehrte Apfel“, also „Weißer“ mit Rothaut-Gesinnung, so die Bedeutung von „Turned Apple“, vom Stamm der Santa-Rosa-Creek-Indianer aus Florida adoptiert. Zeitgleich fand sein Hobby als größte indianische Sammlung mit über 3 500 Exponaten Einzug ins Guinness-Rekordbuch.

Vieles davon ist in Derenburg anzuschauen, manches sogar anzufassen. Kinder können sich auch als Indianer verkleiden. „Drei Viertel der rund 4 000 Exponate sind originale Artefakte und nach Kulturregionen in Vitrinen angeordnet. Dazwischen entstanden teils begehbare Dioramen mit Alltagsszenen“, beschreibt er sein Konzept. Huronenlanghaus mit Original-Birkenrindenkanu, Tipi-Zeltlager mit Figuren und aufgespannten Bisonfellen, Chicky-Wohnhütte der Florida-Seminolen mit altem Einbaum und der Teil eines Navajo-Holz-Hogans mit Silberschmiede sind ebenso zu bestaunen wie etwas Grau-Braunes. „Was es ist, erfahren die Gäste, wenn sie zu mir kommen“, schweigt Merbt dazu.

Ein einschneidendes Erlebnis sollte Merbts erste Reise an die Ostküste der USA im Sommer 1963 werden, die ihm seine Opa spendierte - als Schiffsjunge auf einem Frachter. „Von den Ureinwohnern gab es wenig zu sehen, außer in einem New Yorker Museum“, stellte er fest. „Den ersten Indianer erlebte ich als betrunkenen Bettler.“ Dafür sah er in Philadelphia eine pompöse Parade zum amerikanischen Bürgerkrieg. Seine Sympathie für die Geschichte der „Neuen Welt“ war jedoch geweckt, eine Gürtelschließe von 1860 und ein Buch über indianische Handarbeiten die ersten Besitztümer.

Im Wissen, dass sich unter den im Westen stationierten US-Soldaten auch Indianer in Uniform befanden, suchte er den Kontakt. „Die Amis interessieren sich eher für Nazischrott des Zweiten Weltkriegs als für ihre eigene Geschichte“, erzählt er. Sein Wehrersatzdienst als Rettungstaucher half, in Flüssen und Seen günstig an alte Orden, Dolche oder verrostete Pistolen heranzukommen, um sie gegen historische Exponate der Indianer oder Cowboys einzutauschen. Bei mehreren Amerika-Reisen lernte er von den Indianern alte Techniken, wie Feuersteinbearbeitung oder Kleintierjagd mit Blasrohr. Immer mehr Exponate vergrößerten seine Sammlung, die er erstmals 1992 in Süddeutschland öffentlich machte.

Das Interesse stieg, er zog um, richtete ein Museum ein und echte Indianer aus den USA, Kanada, Mexico oder Peru kamen zu Besuch. Auch Dennis Banks, der „Nelson Mandela der US-Indianer“, war 2012 da. Im Oktober 2014 kam das Aus - der neue Besitzer wollte die Miete für das Indianermuseum um ein Vielfaches erhöhen. Merbt: „Also suchte ich ein geeignetes Objekt zum Kauf.“ Fündig wurde er im Blankenburger Ortsteil Derenburg. Acht Lkw-Ladungen waren für den Umzug in den Harz nötig. „In der Nähe wohnen Familienangehörige“, sagt er. Seit 5. September 2015 ist das Museum geöffnet, obwohl es noch nicht fertig ist. Derzeit baut Merbt Stamm für Stamm wieder ein 150 Jahre altes Blockhaus mit kompletter Inneneinrichtung auf. Hinzukommen sollen auch ein Hogan mit Webstuhl und eine begehbare Missionskapelle. Der Museumsgründer, der sich als „Botschafter für die ersten Amerikaner“ in Deutschland fühlt, lädt vor allem Schulklassen und Kindergartengruppen ein: „Schon jetzt lohnt sich ein Besuch.“ (mz)

Zeitgeschichte aus 10.000 Jahren

Indianermuseum Derenburg

Esther und Thomas Merbt

Bleichstraße 2 /Ecke Kornstraße

Öffnungszeiten:

November bis Ostersamstag (außer Karfreitag):

Freitag bis Sonntag, 14 bis 17 Uhr

Ostern bis Ende Oktober:

Mittwoch bis Sonntag, 14 - 17 Uhr

Angemeldete Gruppen:

ab 8.30 Uhr

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