Viele finden zum «guten Ort»
QUEDLINBURG/MZ. - "Immer wieder hört man, die Erinnerung soll ein Ende finden." Es dürfe auch im Jahre 70 nach den Ereignissen der Reichspogromnacht nicht vergessen werden, dass Synagogen brannten, jüdische Einwohner deportiert, erniedrigt und in Konzentrationslagern ermordet wurden.
Auch in Quedlinburg habe man seit dem Mittelalter jüdische Mitbürger verfolgt, sie als Verursacher von Ungemach gegeißelt. So sei es gut, dass so viele Menschen wie nie in den Jahren zuvor den Weg an den guten Ort, wie ihn die Juden bezeichnen, gefunden hätten.
Christen standen neben Nichtchristen, Jugendliche neben Mitbürgern, die die dunklen Jahre noch miterlebt haben könnten. Lukas Frank, Vertreter der jungen Generation Quedlinburgs, erinnerte daran, wohin das Wegsehen in Deutschland vor sieben Jahrzehnten geführt hat; in die Krematorien als Ausgeburt deutschen Vernichtungswahns. Der Bürgermeister fügte hinzu, dass Opfer längst austauschbar seien: Homosexuelle, Aussiedler, Muslime und Behinderte. Vorgefasste Meinungen bereiteten den Boden für Hass. "Auf diese schlichten, ungeprüften Vorurteile bauen die Neonazis ihre Erfolge auf, die in völkischen Theorien gipfeln." Das Geschöpf Mensch allein schon sei wertvoll. Das Wissen über den Nachbarn helfe, dessen Qualitäten zu erkennen.
So hörten die Teilnehmer des Gedenkens auf dem jüdischen Friedhof, der von Nazis geschändet worden war und 1970 ganz aus dem Stadtbild getilgt schien, auch das Wort der Evangelischen Kirche zum Sonntag. 1938 hätten die Juden in den deutschen Städten vergebens auf einen Aufschrei gewartet, erfuhren keine offene Solidarität und vermissten Zeichen, die Schlimmeres hätten verhindern können, so Pfarrer Martin Genz. Auch die christlichen Gemeinden hätten versagt und Christen sich so eine Schuld aufgeladen. Das Feuer des Hasses habe Mitmenschlichkeit gefressen. Nicht nur Häuser fielen in Schutt und Asche, auch Menschen seien verletzt und getötet worden, weil weggeschaut wurde.
Heute könne man in Quedlinburg an keine jüdische Tür klopfen und um Verzeihung bitten, weil kein Mensch diesen Glaubens hier mehr lebe. Pfarrer Jens Fabich rief dazu auf, Spuren an Orten jüdischen Lebens und Kultur bewusst zu suchen. So könnten Begegnungen in der Halberstädter Klaussynagoge Mitdenken und Nachdenken unterstützen.