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St.-Johannis-Kirche Quedlinburg St.-Johannis-Kirche Quedlinburg: Gemeinde gibt Gotteshaus ab

Von Petra Korn 06.01.2018, 06:55
Pfarrer Christoph Carstens zündet die Altarkerzen in der St.-Johannis-Kirche an. Am Sonnabend wird das zum letzten Mal erfolgen.
Pfarrer Christoph Carstens zündet die Altarkerzen in der St.-Johannis-Kirche an. Am Sonnabend wird das zum letzten Mal erfolgen. Jürgen Meusel

Quedlinburg - Die Bibel liegt, schon aufgeschlagen beim „Matthäus - Kapitel 2“, auf dem Altartisch, die Kerzen stehen bereit.

Diese werden am Sonnabend, 6. Januar, zum letzten Mal in der St.-Johannis-Kirche in Quedlinburg angezündet: Mit einem um 10.30 Uhr beginnenden Gottesdienst, zu dem alle Quedlinburger und Interessierten eingeladen sind, wird die evangelische Kirchengemeinde von dem Gotteshaus Abschied nehmen.

St.-Johannis-Kirche Quedlinburg: Altar wird abgeräumt und neu aufgestellt

„Während des Gottesdienstes räumen wir den Altar ab, gehen dann zur Johanniskapelle und schmücken dort den Altar“, sagt Pfarrer Christoph Carstens.

Damit endet die Gottesdienst-Nutzung des 1906 im neogotischen Baustil errichteten, vor 111 Jahren als Kirche der Johannis-Hospital-Stiftung eingeweihten Gebäudes.

„Die Gemeinde gibt die Kirche ab“, sagt der Pfarrer.

Der Evangelische Kirchenkreis Halberstadt wird das Gebäude übernehmen; er will hier ein Zentralarchiv für die Bestände der Archive vieler Kirchengemeinden einrichten.

Die Gottesdienste in der Süderstadt finden künftig in der Johanniskapelle statt.

St.-Johannis-Kirche Quedlinburg: Idee zur Umnutzung gibt es schon länger

Die ersten Ideen für eine Umnutzung von St. Johannis reichen schon einige Jahre zurück.

„Der Evangelische Kirchenkreis Halberstadt war damals auf der Suche, um ein Archiv bauen oder einrichten zu können“, sagt Christoph Carstens.

Verschiedene Kirchen wurden angesehen und schließlich bei der evangelischen Gemeinde in Quedlinburg angefragt, ob diese sich vorstellen könnte, dass in St. Johannis ein solches Archiv entsteht.

Im Jahr 2015 habe es eine Gemeindeversammlung in der Kirche gegeben, bei der alles Für und Wider abgewogen worden sei. „Letztlich hat der Gemeindekirchenrat beschlossen, das Gebäude dem Kirchenkreis zur Verfügung zu stellen“, so der Pfarrer.

St.-Johannis-Kirche Quedlinburg: Eine sehr üppige Ausstattung in der Welterbestadt

Der Hintergrund: In Quedlinburg gibt es insgesamt neun historische Kirchengebäude - eine sehr üppige Ausstattung für eine Stadt dieser Größe, so Carstens.

Die Evangelische Kirchengemeinde Quedlinburg - sie zählt 2.200 Mitglieder - sei momentan für fünf Kirchen verantwortlich. „Damit sind wir perspektivisch auf jeden Fall überfordert“, so der Pfarrer

. „Wir hatten schon jetzt die Schwierigkeit, dass wir die Johanniskirche gar nicht in dem Umfang nutzen konnten, wie es gut für die Kirche wäre.“

Dabei gebe es einen Freundeskreis, der sich sehr engagiert Jahr um Jahr um die Kirche kümmere, verschiedenste Veranstaltungen organisiere - und doch nicht habe verhindern können, dass die Gemeinde jetzt sage, sie gebe die Kirche ab.

„Das kränkt natürlich auch ehrenamtliches Engagement.“

Christoph Carstens sieht aber auch, dass der Freundeskreis durchaus bereit sei, sich künftig für die Johanniskapelle zu engagieren.

Viele Taufen, Konfirmationen und Eheschließungen

Der Abschied von der Johanniskirche sei von besonderer Bedeutung: Viele Quedlinburger seien hier getauft, konfirmiert, getraut worden, hätten Jubiläen gefeiert, sagt der Pfarrer, der selbst in der Johanniskirche in sein Amt in Quedlinburg eingeführt wurde.

Und gerade bei den Älteren gebe es noch die Erinnerung daran, dass sie in der Kirche einen Hort der Sicherheit in der DDR gehabt hätten.

Am Sonnabend sollen alle, die das möchten, an einem „offenen Mikrofon“ sagen können, was sie bewegt.

Auch wenn der Abschied schwer falle - die Kirchengemeinde sei dankbar dafür, dass mit dem Archiv die kirchliche Nutzung von St. Johannis erhalten bleibe, so der Pfarrer.

Und dafür, dass die Johanniskapelle in den vergangenen Jahren so hergerichtet wurde, dass sie sofort als Gemeindekirche genutzt werden kann.

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Im kommenden halben Jahr muss die St.-Johannis-Kirche geräumt werden. Die Orgel soll für Quedlinburg erhalten bleiben. Wie Pfarrer Christoph Carstens sagt, ist sie nach Einschätzung des Quedlinburger Kirchenmusikers Markus Kaufmann die am besten erhaltene Röver-Orgel in der Stadt. Sie soll ausgebaut werden und wird dann zunächst erst einmal eingelagert. Taufe, Altar und Kanzel bleiben in der St.-Johannis-Kirche.

Was aus den Bänken, den Lampen, dem Kronleuchter oder den noch aus der Kapelle des Heilig-Geist-Hospitals stammenden Ausstattungsstücken - wie Resten der Kanzel und alten Pastorenbildern - wird, ist noch offen. „Da brauchen wir noch ein paar gute Ideen“, so der Pfarrer.

Die Kirche verlassen wird auch das Sakristeibuch, in dem erfasst ist, wie viele Menschen die Gottesdienste besucht haben und wie viel in die Kollekte gelegt wurde; das Buch wird nun für die St.-Johannis-Kirche geschlossen. Christoph Carstens ist sich noch nicht sicher, ob es in die Johanniskapelle mitgenommen und dort fortgeführt oder ob es dann ein neues geben wird und das Buch in das Archiv kommt. Die Glocken von St. Johannis werden weiter läuten. 

(mz)

Die Orgel wird erst mal eingelagert.
Die Orgel wird erst mal eingelagert.