St.-Andreas-Kirche in Thale St.-Andreas-Kirche in Thale: Minenräumung im Turm

Thale/MZ - Auf hoher See brachten sie Tod und Zerstörung - an der St.-Andreas-Kirche in Thale verkündeten sie den Fortgang der Zeit: Zwei Seeminen aus dem Ersten Weltkrieg dienten als Stunden- und Viertelstunden-„Glocke“ der Kirchturmuhr. Ein Provisorium, das mehr als 90 Jahre bestehen sollte. Nun wurden sie durch zwei moderne, freundlich klingende Schalen ersetzt. Am kommenden Samstag wird das mit einem kleinen Fest gefeiert.
„Die haben nicht geklungen, sondern geklirrt, und zwar alle Viertelstunde. Auch nachts“, sagt Pastorin Ursula Meckel, die in Sicht- und Hörweite der Andreaskirche wohnt, über die bizarren Geläute. „Vermutlich waren sie als Provisorium gedacht, weil die ursprünglichen Klangschalen zu Waffen und Munition für den Krieg umgegossen werden sollten. Die große Klangschale der Uhr wurde 1917 vom Turm geholt, zusammen mit den Glocken der St.-Petri-Kirche.“
Seit wann die Halbkugel und die Röhre aus Stahlguss die Zeit am Turm der Andreaskirche verkündeten, ist nicht genau bekannt. Der Thalenser Günter Wilke, der sich mit der Geschichte der Klangschalen beschäftigt hat, geht davon aus, dass die Minen-Rohlinge um 1920 installiert wurden. Sie gehörten zu Restbeständen des Thalenser Eisenhüttenwerkes, die eigentlich auf den Schrott sollten, denn Deutschland durfte nach dem Versailler Vertrag keine Kriegsmunition mehr produzieren.
Davon freilich gab es die Jahre zuvor reichlich; zwischen 1914 und 1918 wurden in Thale 45 000 Stück produziert, sagt Ute Tichatschke, die Leiterin des Hüttenmuseums. „Die wurden auch vorher schon dort hergestellt“, sagt sie. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Produktion eingestellt. Erst 1934 kam der erste Kriegsauftrag: Stahlhelme. Die seien aber als „Sondererzeugnisse“ deklariert worden: „In den offiziellen Papieren steht nicht ,Stahlhelm‘.“ Seeminen seien in Thale auch während des Zweiten Weltkrieges hergestellt worden, hätten aber eine andere Form gehabt.
„Es handelt sich tatsächlich um Minen aus dem Ersten Weltkrieg“, sagt Günter Wilke, der eindeutige Hinweise darauf in der Thalenser Chronik von 1932 gefunden hat, die Kantor Gropp verfasste. Wilke kennt auch eine Zeichnung der 1904 konstruierten Modelle. Sie zeigt deren Funktionsweise: „Diese Minen haben sich im Meeresboden selbst verankert und sind dann bis kurz unter die Wasseroberfläche aufgestiegen. Kam ein Schiff und berührte sie, sind sie explodiert.“ 1908 seien solche Minen dann zum ersten Mal eingesetzt worden.
Was jetzt mit den Thalenser Minenteilen werden soll, ist noch nicht klar. Am vergangenen Wochenende sind sie vom Kirchturm geholt worden. Zum Schrott sollen die Teile aber nicht. „Wir müssen im Gemeindekirchenrat noch darüber reden. Vielleicht könnte man sie in der Kirche aufstellen?“, überlegt Ursula Meckel. „Wir haben pfiffige Leute im Gemeindekirchenrat, da wird schon einer eine Idee haben.“
