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SEK-Einsatz SEK-Einsatz: Schütze aus Weddersleben hortete Waffen

Von Ingo Kugenbuch 14.08.2017, 15:55
Neben der Kalaschnikow, mit der der 28-Jährige auf die Beamten geschossen hat, besaß er noch sieben weitere Gewehre und drei Pistolen.
Neben der Kalaschnikow, mit der der 28-Jährige auf die Beamten geschossen hat, besaß er noch sieben weitere Gewehre und drei Pistolen. Polizei

Weddersleben - Die Vermutungen haben sich bestätigt: Der 28-jährige Mann aus Weddersleben, der am Dienstag von einem SEK-Beamten erschossen worden ist, war ein Waffennarr. Bei der Durchsuchung seines Hauses in der Bahnhofstraße wurde die Polizei fündig: „Im Zimmer des Betroffenen wurden neben der automatischen Kriegswaffe sieben weitere Langwaffen, drei Pistolen, eine Vielzahl an Hieb- und Stichwaffen sowie Substanzen zur Herstellung von Sprengmitteln/Pyrotechnik gefunden“, teilte Marc Becher, Sprecher der Polizeidirektion Nord, mit.

Die „Kriegswaffe“, mit der der Mann am Dienstag zunächst seine Familie bedroht und dann einen SEK-Beamten ins Bein geschossen hat, ist eine Kalaschnikow AK 47 (die MZ berichtete). Sie befindet sich derzeit zur Begutachtung im Landeskriminalamt. „Die restlichen Waffen und Substanzen verbleiben vorerst bei der zuständigen Kriminalpolizei und werden auf ihre Echtheit und Herkunft überprüft“, so Becher. Die Ermittlungen zu den Hintergründen - etwa auch, ob der Mann einige der Waffen legal besessen hat - würden „mit hoher Intensität fortgeführt“.

Immer wenn bei einem Polizeieinsatz geschossen wird, kommen die Polizeipfarrer zum Einsatz. „Wir sind meist innerhalb von einer halben Stunde dort“, sagt Teamleiterin Thea Ilse der MZ. Damit die Notfallseelsorger immer erreichbar sind, sei ein Bereitschaftsdienst eingerichtet. Egal, ob die Polizisten selber geschossen haben oder sie das Ziel eines Angriffs waren - Schusswaffengebrauch gehört zu den „Pflichtindikationen“ für eine seelsorgerische Unterstützung der Beamten, sagt Thea Ilse. Sie könnten bedenkenlos ihr Herz ausschütten, denn die Polizeipfarrer unterlägen der Schweigepflicht, sagt Thea Ilse. „Wir gehen mit den betroffenen Beamten zunächst in einen ruhigen Bereich, versorgen sie mit Essen und Trinken“, sagt Thea Ilse. „Und dann wird geredet.“ Das könne mit einem betroffenen Polizisten allein geschehen, aber auch in der Gruppe. Was sagt man jemandem, der auf einen Menschen geschossen hat, wie im Fall Weddersleben? „Wundert euch nicht, wenn ihr seltsame Reaktionen an euch beobachtet!“ Wer solch ein traumatisches Ereignis er- und überlebt hat, der müsse damit rechnen, dass er unter Schlafstörungen oder Herzrasen leidet. Oder dass ihn Gerüche verfolgen, die er am Tatort wahrgenommen habe.

„Nach drei oder vier Tagen rufen wir bei den betroffenen Beamten noch einmal an und fragen, ob sich wieder alles normalisiert hat“, sagt Thea Ilse. In etwa 95 Prozent der Fälle sei das so. „Für alle anderen wird gut gesorgt“, sagt die Polizeipfarrerin. Wenn sich bei einem Polizisten eine „akute Belastungsreaktion“ herausbilde, dann gebe es eine Polizeipsychiaterin, die dem Beamten helfe.

Schusswechsel wie jener in Weddersleben sind indes extrem selten. 2016 sind die Polizeipfarrer 75 Mal in Sachsen-Anhalt angefordert worden. Nur zweimal waren vorher auch Gewehre oder Pistolen im Spiel. „Aber insgesamt hat sich die Lage schon sehr geändert“, sagt Thea Ilse. „Einsatzkräfte erleben mehr und unverhältnismäßig rohe Gewalt.“ Wie damit umgegangen wird - auch das hat sich innerhalb der Polizei geändert. Die Polizeiführung sei sensibler geworden, sorge mehr für die Beamten. Auslöser dieses Gesinnungswandels in Sachsen-Anhalt sei das schwere Zugunglück bei Hordorf im Januar 2011, bei dem zehn Menschen ums Leben kamen, gewesen.

(mz)