Schülertransport im Harz Schülertransport im Harz: Bus platzt aus allen Nähten

Thale/MZ - Der Appell von Astrid Kube im Stadtrat von Thale ist eindringlich, ja schon flehend: „Wir bitten Sie dringend zu prüfen, ob der Einsatz eines größeren Busses mit mehr Sitzplätzen möglich ist.“ Die Elternvertreterin aus Allrode, deren Tochter eine sechste Klasse am Europagymnasium „Richard von Weizsäcker“ besucht, weiß, wovon sie spricht. Sie und viele der Eltern der über 60 Schüler aus Güntersberge, Allrode und Friedrichsbrunn halten die jetzige Situation im Schülertransport ins Thalenser Gymnasium und in die Sekundarschule Thale/Nord für unhaltbar, ja sogar gefährlich. „Es gibt im Bus einfach zu wenig Sitzplätze“, kritisieren sie. Permanent müssen mindestens um die 20 Schüler im Alter zwischen zehn und sechzehn Jahren im Bus stehen. Seit Monaten kämpfen die besorgten Eltern darum, dass der Missstand endlich abgestellt wird.
Nichts Außergewöhnliches
Für die Harzer Verkehrsbetriebe (HVB), die größtenteils die Schülerbeförderung in der Hand haben, ist das dennoch kein außergewöhnlicher Zustand. Im Einzugsbereich von größeren Städten und Ballungsgebieten sei es selbstverständlich, dass man in U-Bahnen, S-Bahnen und Straßenbahnen steht, heißt es im Merkblatt zur Schülerbeförderung.
Doch die Eltern im Harz sehen das völlig anders. Sie sprechen von einer gefährlichen Situation. Besonders gefährdet sind die Kleinsten mit ihren schweren Schulranzen, die keinen Sitzplatz mehr ergattern können. Die gesamte Strecke durch den Wald ist kurvenreich - das Unfallrisiko somit sehr hoch. „Bei einer Gefahrenbremsung bei plötzlichem Wildwechsel können sich die stehenden, kleinen Schüler nicht mehr festhalten“, ist dabei die größte Sorge der Eltern. Dass dies kein ausgedachtes Szenario der Eltern ist, kann auch Valentin Fliege, der die 10. Klasse im Gymnasium besucht, bestätigen: „Erst vor einem Monat musste der Bus notbremsen. Da sind schon einige Mitschüler umgestürzt.“ Verletzt, so glaubt der 16-Jährige, wurde dabei glücklicherweise niemand.
Alles nur pure Übertreibung der Eltern? Deren Ängste und Sorgen waren deshalb für Thales Bürgermeister Thomas Balcerowski (CDU) und den parteilosen Friedrichsbrunner Ortsbürgermeister Jürgen Zehnpfund Grund, um im ersten Frühbus mitzufahren.
Es ist noch stockdunkel. Gegen 6.20 Uhr hält ein Bus der Linie 31 aus Güntersberge kommend in der Langen Straße in Allrode. Etwa 15 Kinder steigen aus. Zum Glück regnet es nicht in Strömen. Auch gibt es keinen klirrenden Frost. Die Kinder harren ungeschützt am Straßenrand aus, um mit 13 Allröder Schülern per Linie 18 weiter in Richtung Friedrichsbrunn zu fahren. Es ist jetzt kurz vor 6.30 Uhr. Der Linienbus ist leer. „Dienstfahrt“ steht noch am Display. Es geht zunächst zurück bis zur Kreuzung nach Bärenrode/Güntersberge.
Stehen braucht keiner. Noch nicht. Doch es wird allmählich eng im Bus, als gegen 6.38 Uhr zehn weitere Schulkinder am Kinderheim in Friedrichsbrunn zusteigen. Nicht alle bekommen einen Sitzplatz. Für die zwei Erwachsenen und 14 Schüler, die dann wenige Minuten später ab den Haltestellen Sparkasse und am Ortsausgang im Linienbus mitfahren wollen, bleiben nur noch Stehplätze. Auch mit der eigenen Sicherheit nehmen es nicht alle jungen Leute so ganz ernst. Während sich einige Schüler ordentlich an den Haltegriffen der Sitze und Schlaufen festhalten, lehnen einige lässig an der Ausgangtür oder spielen mit beiden Händen mit dem Handy. Andere wiederum haben ihren Schul-Rucksack während der ganzen Fahrt auf. Dies erweist sich für einige Fahrschüler beim Durchrücken als hinderlich. Die kurvenreiche Busfahrt führt schließlich nicht schnurstracks zum Gymnasium, sondern geradezu zum Thalenser Hauptbahnhof und dann zur Haltestelle in der Blankenburger Straße am Kaufland. Dort steigen gegen 7.04 Uhr die Sekundarschüler aus, da ihr Unterricht bereits elf Minuten später beginnt. Gegen 7.09 Uhr hat dann endlich die Linie ihr Ziel erreicht: die Haltestelle in der Brechtstraße, wenige Meter vom Gymnasium.
Für schnelle Änderung
Thales Bürgermeister zeigt sich nach gut 40 Minuten Fahrt - ab Güntersberge wären es 60 Minuten gewesen - erschüttert: „Das habe ich so nicht erwartet.“ Die Verantwortlichen für den Schülerverkehr beim Kreis und den Harzer Verkehrsbetrieben sollten diese Tour selbst mitmachen, meint er, und ergänzt: „Vielleicht würden sie dann anders entscheiden.“
„Hier muss sich schnellstens etwas ändern. Die Sicherheit der Kinder muss Vorrang haben“, kann er die Sorgen der Eltern nachvollziehen. Für Valentin Fliege war die Fahrt an diesem Morgen noch eine normale Fahrt: „An manchen Tagen ist der Bus noch proppen voller.“ Er, wie auch die Elterninitiative, kritisieren dazu noch die schlecht koordinierten Rückfahrzeiten: „Wenn der Bus um 15.30 Uhr in Thale verpasst wird, weil die Linie nicht auf den Stadtbus wartet, dann kann es schon mal passieren, dass man erst gegen 18 Uhr in Allrode oder Güntersberge zu Hause ist.“
Die Forderungen der Eltern nach mehr Sitzplätzen sind bisher allerdings auf taube Ohren gestoßen, wie auch CDU-Stadtrat und Kreistagsmitglied Michael Unger bestätigte. „Das Problem beschäftigt uns schon seit Jahren. Aber der Landkreis als Verantwortlicher für die Schülerbeförderung sieht keinen Handlungsbedarf“, sagte der stellvertretende Gymnasiumsleiter. Und es wird nicht besser: „Im kommenden Schuljahr kommen mindestens 24 weitere Fahrkinder dazu“, weiß Friedrichsbrunns Ortsbürgermeister Jürgen Zehnpfund - später sogar Grundschüler.
