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Wer kennt "Stemmleistenschuh"? Schmiedemeister aus Gernrode: Karl Stadelmann zeigt Meisterstück von 1958 - ein Stemmleistenschuh

Von Uwe Krauss 27.11.2018, 11:57
Karl Stadelmann mit seinem Meisterstück, einem Stemmleistenschuh.
Karl Stadelmann mit seinem Meisterstück, einem Stemmleistenschuh. Marco Junghans

Gernrode - Wenn er aufsteht, ist zu erahnen: Der Mann kann kräftig zupacken. In der Hand hält Karl Stadelmann einen Stemmleistenschuh. „Damit weiß heute kaum noch jemand was anzufangen. Das war eine Stütze für die Seitenflanken des Pferdewagens. Habe ich handgeschmiedet - mein Meisterstück.“

Das ist unterdessen 60 Jahre alt, der Schmiedemeister selbst 83. Bis zum 78. Lebensjahr stand der Gernröder in seiner Werkstatt auf dem Hof am Haus. „Schummeln konnte man nicht mit dem Meisterstück, da hatte der Obermeister in jedes der Teile seinen Stempel reingedrückt“, erinnert sich Stadelmann, der aus einer wahren Schmiededynastie stammt.

„Geprüfter Hufbeschlagsschmied“ seit 1956

Bei seinem Vater Kurt hat er in Rieder gelernt. Aus dem Jahr 1956 datiert sein Zeugnis als „Geprüfter Hufbeschlagsschmied“. Der Schmiedemeister weiß, der klassische Handwerksberuf ist fast ausgestorben. „Heute gibt es die fertigen Teile zu kaufen, die sind dann irgendwo maschinell hergestellt.

Ja, die Welt hat sich verändert“, sagt der Meister, dem jetzt eine besondere Ehre zuteil wurde. Die Handwerkskammer Magdeburg zeichnete ihn mit dem „Diamantenen Meisterbrief“ aus. Auf den 11. Juli 1958 ist sein Meisterbrief in Halle datiert.

Karl Stadelmann übernahm 1966 die Schmiede seines Vaters

1966 hat er von seinem Vater die Schmiede übernommen, seit 1998 führte er auch den Metallbaubetrieb. „Ich bin stolz, dass jetzt die vierte Generation am Ruder ist“, sagt Karl Stadelmann. „Bei zwei Töchtern war nichts mit Hammer und Amboss, aber der Enkel setzt die Familientradition fort.“

Seine Frau Regina, mit der er vor dem Meisterbrief verheiratet war und schon das Diamantene Ehe-Jubiläum gefeiert hat, wirft ein: „Sebastian hat beim Opa gelernt. Der war richtig streng zu ihm.“ Unterdessen gibt es sogar einen Ur-Enkel, und Enkel Sebastian Otto hat einen wichtigen Schritt getan: Er besuchte die Meisterschule und führt als Metallbaumeister seit 2014 das großväterliche Unternehmen.

Enkel Sebastian Otto führt als Metallbaumeister die Firma weiter

Natürlich kann der schmieden, aber verlangt wird diese Handwerkskunst nur selten. Feuer und Amboss stehen noch auf dem Hof. „Manchmal kommen Kunden und bitten ihn, irgendwelche billigen Metall-Gartenzäune zu flicken. Da bewahrheitet sich der Spruch mit dem Billigkauf und doppelt zahlen,“ fügt Regina Stadelmann an.

Sie galt zu DDR-Zeiten als „mithelfende Ehefrau“ im Handwerksbetrieb ihres Mannes. Der knüppelte oft von morgens 6 bis abends 6 Uhr in seinem Privatbetrieb, dazu ging es auch samstags und sonntags ran.

Die Gernröder wussten, auf seine Hilfe ist Verlass. Weil er eben anpacken konnte und trotz Mangels etwas zustande bekam. Federn hat er aufgesprengt, geschweißt und neu geschmiedet.

Federn aufgesprengt, geschweißt und neu geschmiedet

Ob Handelstransport, der Winterdienst mit seinen Schneepflügen oder die schweren Holzanhänger der Forstleute: Ohne den Schmied wären manche Fahrzeuge nicht mehr gerollt.

Von seinen Kniffen und Können profitierten seine Lehrlinge. So zehn werden es im Lauf der Jahre gewesen sein. „Sie verstanden das als Grundberuf. Aus ihnen ist was geworden. Ich weiß gar nicht, wie viele Meisterprüfungen ich begleitet habe.“ Karl Stadelmann selbst hat so dazu beigetragen, dass viele seinem Beispiel als Meister folgten. (mz)