Schlossmuseum Quedlinburg Schlossmuseum Quedlinburg: Freilegung eines Schatzes

Quedlinburg/MZ - Die Grafiksammlung der Städtischen Museen Quedlinburg umfasst rund 6.000 Arbeiten. 22 davon werden jetzt in einer Sonderausstellung im Schlossmuseum gezeigt. Es ist eine Wiederentdeckung oder wie es Sammlungsleiter Dirk Hoffmann sagt: „Die Freilegung eines Schatzes, der noch weitere Teile folgen sollen.“ Bei den Arbeiten handelt es sich um Werke des Expressionismus und des Umfeldes, die Hans Spitzmann (1884-1961), Harzmaler und Zeichenlehrer in Quedlinburg, im März 1926 für die Stadt ankaufte.
Beim Buch- und Kunstantiquariat F. W. Haschke in Leipzig erwarb er für einen günstigen Preis von 220 Reichsmark moderne Grafik, die heute ein Vielfaches kosten würde. Dirk Hoffmann schätzt, dass es sich pro Blatt um 500 bis 1.000 Euro handeln könnte. Die Liste der Namen der Künstler ist eindrucksvoll, neben weniger bekannten sind es unter anderem Werke von Max Beckmann, Max Pechstein, Ernst Heckel, Oskar Kokoschka, Lovis Corinth, Max Slevogt, Käthe Kollwitz und Ernst Barlach. Außer bei den beiden letztgenannten wurden die Werke seit Jahrzehnten nicht gezeigt. Hoffmann ist auf die Grafiken bei der Vorbereitung des Umzugs in das neue Archiv der Stadt in der Halberstädter Straße gestoßen.
Recherche lohnt
Die Freude über den Fund ist ihm noch immer anzumerken, wenn er ins Schwärmen kommt. Die Werke waren nur zum Teil auf Karteikarten erfasst, ab und an mit falschen Titeln versehen sowie mehr oder weniger in Vergessenheit geraten. So wurde einige Recherchearbeit notwendig, die der Sammlungsleiter bis zur Ausstellung noch nicht abschließen konnte. So fehlen zwei Grafiken aus dem Ankauf von 1926 und wurden durch passende andere Arbeiten ersetzt. Der Museumsmitarbeiter geht aber davon aus, dass sich die fehlenden Werke bei der Durchsicht der gesamten Sammlung noch anfinden.
Hoffmann kann mehrere Gründe anführen, warum die Werke bis auf Ausnahmen in Vergessenheit gerieten. Interessant ist zunächst die Tatsache, dass Hans Spitzmann die vorhandene Sammlung mit Grafik aus dem 18. und 19. Jahrhundert „nicht ergänzte oder Lücken schloss“, sondern „aktuellen Strömungen der Kunstentwicklung der Weimarer Republik“ nachging, obwohl er „als Künstler eher konservativer Prägung bekanntgeworden ist“. Er schaffte einen von ihm ausgewählten Querschnitt grafischer Arbeiten für die Stadt an.
NSDAP-Mitglied
Hans Spitzmann zeichnete in den Jahren für die Grafische Sammlung im Schlossmuseum verantwortlich. Während der Nazizeit trat er in die NSDAP ein, um weiter sein Amt im Museum ausüben zu können, wie der Sammlungsleiter erklärte. Dabei konnte er die Werke sicher verwahren, welche sonst von den Nazis als „Entartete Kunst“ aus den Museen entfernt wurden. So geriet dieser Teil der Grafischen Sammlung aber in Vergessenheit. Schon kurze Zeit nach 1945 wurde ein Archäologe Museumsleiter in Quedlinburg, so dass die grafischen Schätze nicht im Mittelpunkt standen. Nur Arbeiten von Käthe Kollwitz und Ernst Barlach wurden gezeigt.
Mit „Interim I“, so der Name der Ausstellung, was so viel wie Zwischenzeit oder -zustand heißt, wird nun ein Anfang gemacht, die Schätze der Grafischen Sammlung zu ordnen und bei Expositionen vorzustellen. Damit einher geht der Versuch, „den Ankauf von 1926 zu rekonstruieren“, erklärt Dirk Hoffmann: „Interim I füllt nicht nur eine Lücke, sondern bildet einen Zwischenzustand beim Freilegen des Schatzes der Grafischen Sammlung“. Es seien weitere Ausstellungen geplant, wobei es mehrere Möglichkeiten gebe, die sich sicher über zehn Jahre hinaus erstrecken werden.
Die Ausstellung „Interim I“ wird im Schlossmuseum Quedlinburg bis zum 2. März 2014 gezeigt. Geöffnet ist das Museum von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 16 Uhr.


