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Saatzucht Saatzucht in Quedlinburg: Zuckerrübe hat Dippe und Mette reich gemacht

Von Rolf Bielau 03.06.2017, 12:45
Blick auf den sogenannten Stadthof, den Hauptsitz der Firma Heinrich Mette. Erhalten ist heute noch das Gebäude am Gernröder Weg.
Blick auf den sogenannten Stadthof, den Hauptsitz der Firma Heinrich Mette. Erhalten ist heute noch das Gebäude am Gernröder Weg. Sammlung Bielau

Quedlinburg - Von den Feldern sind sie heute nicht mehr wegzudenken: die Zuckerrüben. Wie es über die Entwicklung der Runkelrübe - ein Gänsefußgewächs mit fleischig verdickter Hauptwurzel - zur Nutzung und Züchtung der Zuckerrübe kam, lässt sich in der Geschichte des Samenbaus in Quedlinburg als einer der Wiegen der Pflanzenzüchtung in Deutschland ablesen.

Die Zuckerrübe hat Saatgutfirmen der Stadt wie Dippe und Mette reich gemacht. Andere Züchter beschäftigten sich schon sehr zeitig mit dieser Kulturart, machten aber ihre Umsätze mehr mit Blumen- und Gemüsesämereien.

Johann Andreas Keilholz gründete 1822 die erste Firma

Laut einer Veröffentlichung des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter begann die Rübenzüchtung in den deutschen Ländern um 1750. In Quedlinburg gründete Johann Andreas Keilholz (1800-1882) im Jahr 1822 seine Firma für die Züchtung und den Samenbau von Zuckerrüben, Gemüse und Blumen. Er war Leiter der Landwirtschaft in der von Ferdinand Hanewald gegründeten „Zuckersiederei“ und ab 1837 Aufseher in der Zuckerfabrik.

Keilholz war der erste Züchter in der Region, der sich für die Auslese seiner Zuckerrüben eines eigenen Laboratoriums bediente. Er war ein gesuchter Berater für den Anbau und die Samenzucht von Zuckerrüben und verfügte durch seine Tätigkeit an der Zuckerfabrik über beste Geschäftsbeziehungen für den Handel mit Zuckerrübensaatgut.

Ab 1825 begann Johann Heinrich Andreas Mette (1801-1869) mit der Zuckerrunkelrübenzüchtung. Im Schreiben von 1836 an die Zuckerfabrikanten und Agronomen wird ausgeführt, dass dieser „schon seit mehreren Jahren nur eigens kultiviertes Saatgut anbietet, welches Echtheit und Zuverlässigkeit garantiert“.

Ab 1825 war Johann Heinrich Andreas Mette im Geschäft

Auch beteiligte er sich maßgeblich an der neuen Zuckerfabrik der „Handelsgesellschaft vereinigter Landwirte“ in der Stumpfsburger Straße/Ecke Gernröder Weg. Diese verarbeitete in der Saison 1857/58 insgesamt 50.000 Zentner Zuckerrüben aus der umliegenden Feldflur mit einem Ertrag von neun bis zehn Prozent Zucker. Mette war ein Pionier der Zuckerrüben-Züchtung.

1887 kaufte die Firma Heinrich Mette die Zuckerfabrik der Vereinigten Landwirte, deren Gebäude 1899 durch ein verheerendes Feuer vernichtet wurden. Darauf wurde dieser Hof der Hauptsitz, nunmehr „Stadthof“ genannt. In der Zuchtarbeit wurde 1881 ein großes Laboratorium eingerichtet, in dem Hunderttausende von Einzelrüben auf Form und Zuckergehalt zur Gewinnung der Elite-Samenträger für das folgende Jahr ausgelesen wurden.

Dies war der Beginn der Einzelauslese der Mutterrüben. Zu Beginn der Züchtung 1825 erfolgte die Selektion auf Größe, Form und Laubbeschaffenheit. Ein weiterer Schritt war die Bestimmung des spezifischen Gewichtes und der spezifischen Schwere des abgepressten Saftes.

Abriss schuf Platz für Einkaufszentrum „Mettehof“

1900 verfügte die Firma über 1.750 Hektar und war der zweitgrößte Saatzuchtbetrieb in Quedlinburg. Nach der Enteignung 1945 hieß der Stadthof bis 1991 „Aufbauhof“. 2008 kam dann der Abriss bis auf das Gebäude am Gernröder Weg. Heute ist auf dem Gelände das Einkaufszentrum „Mettehof“.

1860 markiert einen neuen Abschnitt in der Entwicklung der hiesigen Rübenzüchtung. Gustav Adolf Dippe und Christoph Lorenz Dippe übernahmen das väterliche Geschäft. Dieses firmierte ab 1. März 1850 unter dem Namen Gebrüder Dippe. 1860 begann bei ihnen die Zuckerrunkelrübenzüchtung, ab 1865 dann die Zuckerrübenzüchtung. Wichtige Etappen waren 1882 die Einführung der Kreuzungszüchtung und ab 1885 die - deutschlandweit erstmalige - Individualauslese mit Prüfung der Nachkommenschaften in der Zuckerrübenzüchtung durch Karl Dippe (Mutterstammbaumzüchtung).

Wissenschaft hielt Einzug in die Züchtung

Besonders groß war das große Interesse bei Dippe an der Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse in den Zuchtprozess. Dazu gab es zeitige Beziehungen zur Universität in Halle/Saale. Nach dem Ersten Weltkrieg war es dann auch die Gebrüder Dippe AG, welche ein Forschungslaboratorium mit Wissenschaftlern schrittweise einrichtete.

Ein Erfolg der Züchtung ertragreicherer Sorten mit höherem Zuckergehalt soll die folgende Aussage verdeutlichen: 1838 waren in 50 Kilogramm Rüben 4,4 Kilogramm Zucker. 1908 waren es bereits, auch unter Berücksichtigung besserer landwirtschaftlicher Methoden und Technik, 9,05 Kilogramm.

Zuckergehalt in Rüben stieg rasant an

Um die Jahrhundertwende 1900 lieferten die Gebrüder Dippe ein Zwölftel des Weltbedarfs an Zuckerrübensamen. Dies wurde möglich durch den Anbau in den vier großen Gütern in Quedlinburg, Oschersleben, Halberstadt (Mahndorf) und Neudorf bei Staßfurt. Außerdem wurde das Saatgut in Osteuropa in eigenen Gütern vermehrt. Bei der Bahn mussten in der Versandzeit in den Monaten Januar bis März allein für die Firma Gebrüder Dippe täglich 30 bis 40 Wagen bereitstehen, um den Rübensamen zu transportieren.

Der Gewinn mit dieser Kulturart machte die Brüder Dippe zu den beiden reichsten Bürgern der preußischen Provinz Sachsen mit der Verwaltungshauptstadt Merseburg. Ausdruck des Reichtums war der Gebäudekomplex im Neuen Weg. Dieser ist heute noch vorhanden, aber nicht mehr von Samenzüchtern und -produzenten genutzt.

Nach 1945 produzierte das Volkseigene Gut (VEG) „August Bebel“ Quedlinburg Zuckerrübensaatgut. Die eigenständige Züchtung erlosch aber. Diese wurde im Institut für Zuckerrübenforschung in Kleinwanzleben fortgesetzt. (mz)