1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Robin Hood erobert das Kloster Wendhusen

Robin Hood erobert das Kloster Wendhusen

Von STEPHAN NEEF 27.06.2010, 17:05

THALE/MZ. - Die Legende lebt. Am 12. Mai 2010 ist sie wieder auferstanden. Da kam "Robin Hood" erstmals dreidimensional in die deutschen Kinos. Zwei Wochen gastierte er auch im Thalenser Central-Theater, wenn auch noch nicht als 3-D-Held.

Am Sonnabend tauchte der kampflustige Haudegen nun am anderen Ende der Stadt auf, im Kloster Wendhusen. Genauer gesagt: Er hatte sich offenbar in der so genannten Großen Scheune verschanzt, öffnete aber bereitwillig das Tor, als Hausherr Heinz A. Behrens in Knecht-Ruprecht-Manier dreimal an die Pforte klopfte.

Augenscheinlich ein verabredetes Zeichen. "Das ist der Robin Hood des Tages", strahlte Behrens, als Dirk Achtzehn mit Pfeil, Bogen und mittelalterlicher Kampfgewandung auf den Klosterhof trat. Und den Weg frei machte für die feierliche Übergabe einer stilvollen Anlage für traditionelles Bogenschießen.

Zentrum für Geschichte

Es ist die erste und bisher einzige Bogenbahn dieser Art in Sachsen-Anhalt, informierte Behrens. Die Nordharzer Altertumsgesellschaft, die unter seiner Leitung das Thalenser Kloster-Areal zu einem "Zentrum für lebendige Geschichte" ausbaut, habe sehr lange überlegt, wie die "Große Scheune" künftig genutzt werden könne. Im Gegensatz zur kleineren "Magazin-Scheune", die als Vortrags-, Ausstellungs- und Festraum dient, gebe es hier weder Wasser noch Heizung. Es wäre jedoch schade, "diesen fantastisch großen Raum" nicht zu nutzen. Wer die Scheunenhalle an diesem Tag zum ersten Mal sah, könnte glauben, dass sie eigens für die bunte Bogenbahn geschaffen wurde.

Die nördliche Stirnwand bedeckt eine riesige Palisadenfront, die verirrte Pfeile abfängt. An ihrem Fuß kauert eine Mauer aus schützenden Strohballen, davor sind unterschiedlichste Zielvorrichtungen installiert. Wer will, kann sich sogar als Wilhelm-Tell-Verschnitt versuchen. Der Apfel ruht allerdings auf einer Wasser(kopf)melone. Es gibt fünf verschiedene Schussdistanzen, von zehn bis 30 Meter.

Das Waffenarsenal ist beeindruckend, enthält zum Teil mannshohe Langbögen aus oft exotischen Gehölzen und einen Fundus diverser Pfeile. Auch junge und jüngste Schützen werden hier fündig. Der Kloster-Vorsteher hat natürlich ein für ihn und seine Position maßgeschneidertes Exemplar, das extra aus England importiert wurde. An den Seitenwänden hängen hölzerne Schutzschilde, die so groß sind, dass sich zwei Bogner bequem hinter ihnen verschanzen können. Sie tragen die Wappen "von Rittern, die den Regensteiner Grafen dienten", weiß "Maria von Regenstein" (Sarina M. Lesinski), deren Gemahl "Bernhard von Regenstein" (Bernd Lesinski) zu den Parade-Schützen dieses Tages gehörte. Und Dirk Achtzehn - er heißt wirklich so - ist auch nur ein Gefolgsmann des heimischen Grafen, betont "Maria".

Bürgermeister ist Ehrengast

Damit der Harz-Bogner nicht in den Ruf eines Hochstaplers gerät, hat Behrens ein großes Bild des aktuellen Robin Hood an die südliche Stirnwand gehängt, auf dem unmissverständlich steht: "Russel Crowe ist Robin Hood". Im Gegensatz zu Herrn Achtzehn ist der australische Kino-Mime vom Kampfgetümmel gezeichnet, die grimmige Visage voller Schweiß, Blut und dem Dreck des Sherwood-Waldes.

Ehrengast der Bogenschieß-Premiere war Thales Bürgermeister Thomas Balcerowski (CDU), der sich als Solo-Schütze, aber auch beim "Salvenschuss" einer Sechs-Mann-Formation beachtlich schlug. Allerdings hatte er sich schon als Kind mit selbst gefertigtem Pfeil und Bogen im "Vogelschießen" geübt, berichtete er der MZ. Zielobjekte seien Rabenschwärme gewesen, Übungsfeld der Pfingstanger.

Jetzt "Schnupperzeit"

Heinz A. Behrens will die Resonanz auf das neue Freizeitangebot, das für Touristen und Eingeborene gleichermaßen gedacht ist, in einer dreimonatigen "Schnupperzeit" testen. Geschossen werden kann vorerst an jedem Samstag zwischen 14 Uhr und 17 Uhr. Eine Altersbegrenzung gebe es nicht.

Der Historiker verwies auch auf die therapeutische Wirkung des Bogenschießens - für Menschen, die unter Stress, psychosomatischen Störungen oder Minderwertigkeitskomplexen leiden. Das heilsame Motto: "Finde die eigene innere Mitte". Die "Zielscheiben-Torte" von Nadine Zörkler, ihr Pfeil- und Bogengebäck, den Katlenburger Met oder die Dudelsack- und Trommelklänge von "Sonitus Magicus" (Tim und Alexander Spröggel) gab es jedoch nur zur Einweihung der Bahn. Ein Trost: Das Kloster-Cafe im barocken Herrenhaus ist samstags zur gleichen Zeit geöffnet.

Auf der Bogenbahn kann vorerst an jedem Samstag zwischen 14 Uhr und 17 Uhr geschossen werden. Kinder bis 14 Jahre zahlen für eine Stunde zwei Euro, Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahre drei Euro, erwachsene Schützen vier Euro.