Rebschnitt Rebschnitt: Winzer aus Westerhausen bereitet die neue Saison vor

Westerhausen - Matthias Kirmann schlüpft in die Gummistiefel. Sie sind gefüttert. „In normalen Arbeitsschuhen werden die Füße nach einer Weile kalt“, sagt er. Dagegen können nicht mal beiheizbare Einlegesohlen was ausrichten. Der Winzer aus Westerhausen schnappt sich die Schere, eine kleine Säge - mehr braucht er nicht - und stapft hoch in den Weinberg. Auf drei Hektar baut Kirmann, der das Harzer Weingut betreibt, Wein an - am Bornholzweinberg, der zu Quedlinburg gehört, und in Westerhausen am Lästerberg und Königstein, wo er sich zuerst den Spätburgunder vornimmt.
Es ist wieder an der Zeit für den Rebschnitt - wie immer im Januar. Eine aufwendige Angelegenheit, aber von essenzieller Bedeutung, damit der Rebstock nicht unkontrolliert wächst. „Ziel ist es, die Form zu erhalten“, erklärt Kirmann und beginnt damit, die überflüssigen Triebe abzuschneiden. Stehen bleiben nur zwei, dem Stamm nahe. Einer von beiden wird später um die horizontal gespannten Drähte bergab gebogen. Aus ihm wachsen in den nächsten Monaten neue Triebe, die die Trauben tragen. Weil das Holz beim Biegen aber brechen kann, braucht es den zweiten Trieb. Zur Reserve. Aber eins nach dem anderen. Denn ans Biegen geht es erst nach dem Rebschnitt. Und der „ist gar nicht so schwer, man muss den Dreh nur einmal raushaben“, sagt Kirmann. Leichtes Spiel hat er im Moment: „Spätburgunder schneidet sich wunderbar, der hat nicht so viele Ranken. Gegen Riesling und Mitos ist das eine Erholung.“
Kirmann baut sieben Weinsorten an. Neben den drei genannten sind das noch Dornfelder, Müller-Thurgau, Traminer und Weißburgunder. Weil er sie mag. 12 bis 14 verschiedene Weine entstehen daraus. Probiert werden können sie im Hofladen an der Westerhäuser Gartenstraße, den vornehmlich seine Frau schmeißt. „Zur Zeit haben wir nicht mehr alle Sorten im Verkauf“, sagt Kirmann. „Wir sind gerade dabei, den Wein, den wir letztes Jahr geerntet haben, fertig zu machen.“ Im Mai sei dann das komplette Sortiment wieder zu haben.
Kirmann, 48 Jahre alt, ist seit 1989 in den Weinbergen zu Hause. Was damals als Hobby begann, ist heute ein gut gehender Familienbetrieb, der weit über die Region bekannt ist. „Wir haben sehr viele Kunden in Süddeutschland und können gar nicht so viel produzieren, wie wir verkaufen könnten. Der Bedarf ist größer.“ Vor 16 Jahren, als sich die Möglichkeit bot, weitere Pflanzrechte zu erwerben - der Weinanbau ist streng reglementiert -, hat Kirmann schließlich seinen Job als Vermessungstechniker an den Nagel gehängt. „Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als Winzer zu sein“, sagt er, Herr über 12 000 Rebstöcke. Am Anfang waren es 400. Zwei Zeilen sind heute sein Tagesziel. Fast eine hat er schon geschafft. Bis zum Mittag ist noch Zeit. Termine, Termine... „Mit dem Rebschnitt kann man anfangen, sobald die Blätter gefallen sind. Vorher nicht. Denn die Blätter sorgen dafür, dass das Holz besser ausreift“, so Kirmann.
Mit dem Wetter hat er Glück. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint - nur der Wind, der über Westerhausen pfeift und einem den Tränenfilm von den Augen pustet, kündet von der kalten Jahreszeit. Aber kein Ding. Kirmann stand hier schon bei Minusgraden und im Tiefschnee. Das sei unangenehm, räumt er ein. Für Mensch, Material - „die Klingen werden dann spröde und brechen schnell“ - und mitunter für den Wein, wenngleich „die Reben eine gewisse Frosthärte haben.“ Doch auch nach dem vergleichsweise milden Winter sitzt der Frost in einigen Triebspitzen. „Die sind nicht so zimtig wie die anderen.“ Kirmann macht es an der Farbe fest und schneidet einen Trieb demonstrativ runter. Stück für Stück. „Hier. Wird er wieder grün.“ Dem Rebschnitt selbst sind die Temperaturen egal: „Anders als beim Obst geht kein Frost in die Schnittstelle.“ Doch der ist nicht des Winzers einziger Feind. Die Kirschessigfliege, ein Parasit aus Asien, der sich im heranreifenden Obst einnistet, richtete 2014 große Schäden an. „Das tat weh“, sagt Kirmann, „den Spätburgunder haben wir gar nicht mehr vollreif werden lassen und Weißwein daraus gekeltert.“
Apropos: Insgesamt dürfte Kirmann 9 000 Liter Wein pro Hektar produzieren. Zufrieden gibt er sich aber mit weniger als der Hälfte. „Wenn ich die Quote voll ausschöpfen wollte, würde die Qualität leiden“, erklärt er.
Weitere Informationen gibt es unter www.harzer-weingut.de. Der Hofladen ist von Montag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr und am Sonnabend von 10 bis 14 Uhr geöffnet. (mz)
