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MDR-Kultur Radiosender MDR-Kultur: Pfarrer Christoph Carstens aus Quedlinburg kämpft in Endrunde des Vorlese-Wettbewerbs

Von Uwe Kraus 14.03.2018, 06:55
Christoph Carstens (59) vor seinem dienstlichen Bücherschrank.
Christoph Carstens (59) vor seinem dienstlichen Bücherschrank. Uwe Kraus

Quedlinburg - Eine der Fragen im Bewerbungsbogen zum MDR-Kultur-Vorlese-Wettbewerb lautete: „Haben Sie schon einmal vorgelesen?“ Christoph Carstens hat einen Smiley gemalt und dahinter geschrieben: „Ich bin Pfarrer.“ Da gehöre das Vorlesen zum Berufsalltag. Nicht nur, wenn es um die Bibel geht, sondern im Altenkreis genauso wie in der Kinderarbeit.

Doch das Vorlesen gehört zum Familienalltag der Carstens. Täglich lesen er und seine Frau sich gegenseitig Bücher vor, Werke, die keiner der beiden bisher kennt. Zurzeit ist es ein Werk, das in Paris spielt. „Da gibt es viele Passagen mit französischem Vokabular, das wir beide nicht so perfekt beherrschen.“

Als ihre Kinder klein waren, spielten die Urlaubsvorlese-Bücher immer dort, wo sie gerade hinfuhren: „Robin Hood“ in Schottland, Parzival in Frankreich und in Norwegen drehte sich alles um Piraten. Er selbst kann sich nicht an Vorleseerlebnisse in der Kindheit erinnern. „Jules Verne hat eine Tante mal begonnen, aber das war für uns damals etwas zu hoch.“

Der evangelische Pfarrer Christoph Carstens steht unterdessen im Finale des MDR-Kultur-Vorlese-Wettbewerbes. Seit Mitte Januar konnten sich Literaturbegeisterte mit einer Kostprobe ihrer Vorlesekunst bewerben. Mitgemacht haben Profis und Menschen, die noch nie in der Öffentlichkeit vorgelesen haben. „Ich höre MDR-Kultur beim Autofahren, aber auch zu Hause beim Ausräumen des Geschirrspülers.

„Meine Stimme hören die Leute hier gern"

Das brachte mich auf die Idee, mich zu bewerben. Meine Stimme hören die Leute hier gern, und bei uns in der Familie lesen wir halt viel vor.“ Im Freundeskreis treffe man sich, esse gut und lese dann jeweils aus seinem Buch zu einem vereinbarten Thema.

Das Drehen des Handybewerbungsvideos entpuppt sich dann doch als schwerer als erwartet. „Drei Anläufe brauchte es, bis die zwei Minuten im Kasten waren, ohne Fehler und mit dem richtigen Blick.“

„Plötzlich schicken mir Wildfremde E-Mails"

Letztlich zeigte sich die Jury von seiner Vorleseleidenschaft beeindruckt, und so steht er noch bis Freitagmorgen mit vier weiteren Vorlesern im Finale des Online-Votings. „Plötzlich schicken mir Wildfremde E-Mails und schreiben mir, dass sie für mich gestimmt haben.“

Egal, wie die Abstimmung ausgeht, und ob am Freitag die Einladung zur Lesung in der Glashalle der Leipziger Buchmesse am Quedlinburger Schlossberg eintrudelt, der 59-Jährige fährt definitiv in die Messestadt. Seinen heimischen Sonntagsgottesdienst hält dafür seine Vikarin.

Dass der MDR für das Vorleser-Video in der Stiftskirche gedreht hat, zeige gut sein berufliches Umfeld, aber Judith Hermanns „Aller Liebe Anfang“, aus dem er liest, passt so gar nicht in den Kirchenraum. „Es ist ein Beziehungsroman, in dem alles eskaliert, nicht so wohltuend, wie es der Titel verheißt.“ Der Pfarrer liest ein Frauenbuch aus der Perspektive einer Frau. Und fragt sich: „Ändert sich die Geschichte, wenn ein Mann sie vorliest? “

Ob er gewinnt oder nicht, Pfarrer Christoph Carstens empfindet viel Spaß am Vorlesen. Er wird dem Sieger in Leipzig lauschen. Sie alle, ob Lehrer, Schauspielerin oder Pfarrer, haben schöne Geschichten dafür ausgewählt. Dort wird am Sonntag keine andächtige Stille herrschen, sondern Buchmesse-Gewusel das Geschehen bestimmen.

››Bis 16. März um 6 Uhr kann für den besten Vorleser abgestimmt werden unter:

www.mdr.de/kultur/buchmesse/vorleser-finalisten-100.html (mz-)