Quedlinburg Quedlinburg: Schwimmflossen für die Gage
QUEDLINBURG/MZ. - So unruhig wie zur jüngsten Filmaufführung des Vereins qARTus war es selten. Schon im Vorspann erklang aus dem Dunkel des Saales: "Das ist Harald!" In dieser Szene rollte ein Kind am Fenster ein Stück Stoff mit dem Namen des Filmteams aus. Das Kind war Harald Mente, damals einer der Mitwirkenden des Defa-Films "Vom König Midas". Seine früheren Klassenkameraden entdeckten ihn sofort, erinnern sie sich doch bei Klassentreffen immer gern an die gemeinsamen Erlebnisse bei den Dreharbeiten in Quedlinburg vor fast 50 Jahren.
Einer von ihnen, Lothar Pilkenroth, hatte schon kurz nach dem Beginn des Projekts "Filmstadt Quedlinburg" den Kontakt zum Initiator Hans-Jürgen Furcht gesucht: "Wir wollen unbedingt den Film, bei dem wir dabei waren." Allerdings galt der Film, der seinerzeit für heftige Meinungsverschiedenheiten bei den Kulturoberen sorgte, lange als verschollen. "Ihn nach so langer Zeit erstmals wiederzusehen, ist schon eine tolle Sache", freute sich Pilkenroth und bedankte sich im Namen der Klasse mit Blumen. Die Wiederaufführung hatte er zum Anlass genommen, die ehemaligen 31 Mitschüler einzuladen, die zum Ende des Schuljahres 1961 / 62 dabei waren. Häufig wurde nachmittags gedreht, "aber manchmal fiel auch der Unterricht aus", erinnerte sich Joachim Eikenroth. "Das Wetter entschied über die Termine."
Nach Ende der Ausbildung am Institut für Lehrerbildung (IfL) Quedlinburg landete der Ballenstedter einst an der Marktschule und betreute dort als Klassenleiter die Komparsen seiner dritten Klasse, ohne Chance auf eigne Mitwirkung zu haben - im Film stellen ausschließlich Kinder die antike Geschichte vom gierigen König Midas dar. "Die vorgegebene Musik habe ich mit dem langen Zug durch Quedlinburg als Rahmenhandlung erweitert", erzählte Regisseur Günter Stahnke von der Entstehung, "weil das Stück selbst einfach zu kurz war." Als Basis diente eine 30-minütige Kantate von Kurt Schwaen und Günter Kunert, die er zu einer Kinderoper verarbeiten sollte.
Das Experiment, das zunächst ausdrücklich gewünscht war und Anfang 1963 auch in Quedlinburg eine Voraufführung mit den Mitwirkenden erlebte, wurde nach der Premiere am 17. Mai 1963 zunächst hochgelobt, um anschließend als "Missverständnis nicht zugelassen" zu werden. "Dabei hatte ich keine politischen Fehler begangen", betonte Stahnke, der seine Ehefrau Helga Piur mitgebracht hatte. Die Schauspielerin schaffte es mühelos, die Besucher mit Anekdoten über das Leben mit dem Regisseur und eigenen Dreharbeiten in ihren Bann zu ziehen. Bacchus-Darsteller Stephan Meyer, der ob des Redeschwalls von Stahnke und Piur kaum zu Wort kam, saß nach "Hände hoch oder ich schieße" 2009 schon zum zweiten Mal auf der Bühne des Palais Salfeldt. "Eigentlich wurden damals Kinder nur einmal besetzt", kennt er deshalb auch die Besonderheit seiner Person.
Den Kindern war auch der weitere Weg des Films damals fast ebenso egal wie die Gage: "Wir hätten wahrscheinlich auch ohne mitgemacht." Aber das Geld hatte Folgen: "Ich wollte schon immer Schwimmflossen haben", schmunzelte Pilkenroth, "nun konnte ich sie mir selbst kaufen." Einziges Problem: Sie waren für den kleinen Steppke viel zu groß. "Also brachte ich sie wieder zurück." Matthias F. Albrecht wurde damals sogar doppelt entdeckt. "Auch in der Musikschule, wo ich Flötenunterricht nahm, wurden Kinder gesucht", weiß er noch, "für das Theaterorchester." Allerdings habe er die Klarinette nicht richtig gespielt, "das war alles nur Playback". Zufällig gehörte er zugleich zu dieser Klasse aus der Marktschule, die vielleicht auch durch das gemeinsame Erlebnis so eine verschworene Truppe geworden ist.