Quedlinburg Quedlinburg: Notorischen Drückebergern geht es an den Kragen
QUEDLINBURG/MZ. - Wenn Schüler regelmäßig im Unterricht fehlen, ganz und gar Wochen oder einige Monate überhaupt nicht zur Schule gehen, kann das weit reichende Folgen für die Zukunft haben - kein Schulabschluss und eine geringe Chance auf einen Ausbildungsplatz. Doch schreibt das Schulgesetz des Landes zwölf Jahre als Schulpflicht vor.
Im Land Sachsen-Anhalt lag die Zahl der Drückeberger im Schuljahr 2009 / 10 bei über 4.300. Das sind 850 Fälle mehr als im Jahr davor. Im Landkreis Harz sieht es besser aus: "Wir haben keinen dramatischen Anstieg zu verzeichnen, es sind eher weniger geworden", vergleicht Monika Mörig, Sachgebietsleiterin Ordnungsrecht im Landkreis, die Zahlen der letzten vier Schuljahre.
Waren es 2007 / 08 noch 247 Schulschwänzer, standen im jetzt abgelaufenen Schuljahr 226 zu Buche. Ein Erfolg der Arbeit von Pädagogen, Ordnungsamt und der Jugendhilfe? "Von einer Erfolgsquote kann man hier nicht sprechen, da die Gründe für das regelmäßige Schulschwänzen vielfältig sind und die Einzelfälle zu betrachten sind. Schulverweigerung ist ein langer Prozess", sagt Stefanie Oelmann von der Kompetenzagentur des Landkreises, die in Sachen Schulverweigerung einschreitet, hilft und berät.
Die Gründe reichen von Problemen im Elternhaus, Überforderung im Unterricht über Mobbing bis hin zu psychischen Störungen wie Angstzuständen und Depressionen. Da sollte von Anfang an das Schwänzen ernst genommen und thematisiert werden. Je länger solche Probleme bestünden, desto schwieriger seien sie zu lösen.
"Manche Fälle sind schon recht festgefahren und gehen über Monate", erzählt Oelmann. Manchmal sei es schon ein Erfolg, wenn Gespräche mit den Schulverweigerern und Eltern zustande kommen, um ein Problem zu erkennen und nach Lösungen zu suchen. "Aber manche Eltern sind auch vollkommen hilflos", so die Beraterin.
Der landläufigen Meinung, dass zu den Schulschwänzern eine ganze Reihe von Migrantenkindern gehören, weil die Eltern es mit der deutschen Schulpflicht nicht so genau nehmen, kann Mörig nicht beipflichten. "Wir haben es hier mit Kindern und Jugendlichen zu tun. Die Nationalität oder Herkunft ist nicht maßgebend. Da unterscheiden wir nicht in der Statistik", sagt sie.
Bei Schulpflichtverletzungen haben die Behörden verschiedene Mittel. Angefangen von Gesprächen zwischen Lehrer und Schüler über Beratung und Betreuung, Bußgeldverfahren für Schüler sowie Eltern, Zwangszuführung bis hin zur Jugendhaft reicht die Palette, um den Drückebergern "an den Kragen" zu gehen. "Bisher hatten wir in den letzten drei Jahren einen Fall von Zwangszuführung durch das Ordnungsamt. In 25 Fällen wurden Ordnungswidrigkeitsverfahren mit Bußgeldern gegen die Erziehungsberechtigten verhängt. Das ist eigentlich viel. Die Zahl der Schüler, die rückfällig werden, ist auch sehr hoch", schätzt Mörig ein. Und: Die Schulzuführung "ziehe" meistens noch bei den Jüngeren als Allheilmittel.
Doch bevor die finanziell schmerzenden Sanktionen oder gar eine Jugendhaft greifen, muss die Behörde alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Schwänzer wieder zum Lernen an der Schule zu bewegen. Steigt die Anzahl der Fehlstunden und -tage bei den Schülern, nimmt die Behörde mit Schule und Lehrern Kontakt auf. "So wird anfangs eine vertiefte Einzelfallarbeit aufgenommen", sagt Oelmann. Auch werde das komplette soziale Umfeld einbezogen, bis hin zu den Jugendclubs, um "Zugang zu den Jugendlichen" zu bekommen.
Mit Nachhilfe, Betreuung, regelmäßigen Kontakten oder dass die Schwänzer ein paar Tage zur Schule gebracht werden, will die Kompetenzagentur den Schulverweigerern zur Seite stehen. "So können wir bei den Schülern vielleicht wieder klare Tagesstrukturen schaffen. Aber alles beruht auf Freiwilligkeit. Bisher gab es auch keine strikten Ablehner", sagt Oelmann. Bei Problemen innerhalb der Familie werden auch andere Beratungsstellen einbezogen, wie zum Beispiel die Sucht- oder auch Schuldnerberatung.
Fruchtet diese Hilfe nicht, wird ein Bußgeld verhängt - für Jugendliche ab 14 Jahre selbst oder für die Eltern, wenn die Kinder jünger sind. In Einzelfällen bis zu 400 Euro. Wird nicht bezahlt, geht der Fall vor das Jugendgericht, das den Drückebergern noch Sozialarbeitsstunden auferlegt. In besonderen Härtefällen kann sogar ein Urteil über eine Jugendhaft vollstreckt werden. Das sei jedoch das allerletzte Mittel im Kampf gegen die Schulschwänzerei. "Wir müssen hier immer Aufwand und Nutzen abwägen", weiß Oelmann.