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Quedlinburg Quedlinburg: Grüne Dame ist ein Herr

Von ANDREAS BÜRKNER 08.12.2010, 15:08

QUEDLINBURG/MZ. - Seit 60 Jahren leitet Ilse Koch den Chor, nicht ganz so lange Herbert Eberl das Orchester der Volkskunstgruppe in Harzgerode. Ingo Hentschel wiederum kümmert sich im Ballenstedter Harzklub um die Wanderwege und Hannelore Kaye betreut die Kleiderkammer der Arbeiterwohlfahrt in Quedlinburg.

Für dieses ehrenamtliche Engagement sollten sie und weitere Helfer aus dem Harzkreis für ihren Einsatz in Kultur, Sport oder Sozialem vom SPD-Kreisverband ausgezeichnet werden. Allein das Wetter machte einigen von ihnen einen Strich durch die Rechnung - nicht nur die genannten, sondern fast die Hälfte der zur Ehrung vorgeschlagenen Bürger scheuten bei Schnee und Wind den weiten Weg ins Quedlinburger Klinikum. Michael Schubert, der SPD-Kreisvorsitzende, verwies auf eine lange Tradition der SPD-Ehrungen im Dezember, musste aber auch anerkennen, dass "zu diesem Termin schon mal Schnee liegen kann."

Auch wenn er das Programm zunächst mit einem Gedicht von Wilhelm Busch eröffnete, in dem dieser unter der allgemeinen Bedeutung des Begriffs mit "Willst du froh und glücklich leben, lass kein Ehrenamt dir geben!", eher vor dem freiwilligen Dienst für andere warnte, so gehörte seine Achtung aber doch den vielen Freiwilligen, die in den Vereinen und Kirchen, in der Kinder- und Jugendarbeit, bei Seniorenhilfe oder Migrantenarbeit ebenso ihre Freizeit zum Wohle anderer opfern wie in Kultur, Gesundheitswesen oder bei Feuerwehr und THW.

23 Millionen sollen es nach einer aktuellen Schätzung in ganz Deutschland sein, also fast jeder Dritte. Obwohl noch immer die Meinung von "viel Amt und wenig Ehr" vorherrscht, gibt es scheinbar doch noch viele Argumente für den selbstlosen Einsatz. Natürlich würden sich manche noch etwas mehr Dankbarkeit und Anerkennung wünschen. Allerdings warnte Schubert auch davor, "in Zeiten leerer Kassen Verpflichtungen der öffentlichen Hand auf die Bürger zu übertragen."

Natürlich war es nicht möglich, allen persönlich zu danken, weshalb die Organisatoren auf Vorschläge angewiesen waren. Während die Auszeichnungen durch Schubert und dessen Stellvertreterin Christa Grimme musikalisch vom Blankenburger Thomas Göbel auf dem Fagott in einer Mischung aus Klassik und Modernem begleitet wurden, erfuhren die Besucher nochmals von den Verdiensten.

So organisiert beispielsweise Renate Ließmann für die Frauengymnastikgruppe in Meisdorf schon seit über 30 Jahren die Übungsstunden und die Teilnahme an Veranstaltungen, "ohne daran den Spaß verloren zu haben". Nicht viel anders geht es auch Gerhard Schwenk, der sich nicht nur im Bauausschuss des Quedlinburger Kirchspiels besonders für die Reproduktion des Altargiebels in der St.-Ägidii-Kirche einsetzt. Er gehört außerdem als einer der wenigen Männer zu den "Grünen Damen" im Klinikum oder betreut Projekte der Jugendbauhütte. Selbst für Kinder-Schmiedekurse in den Ferien ist er sich nicht zu schade. Die Vereinsauszeichnung nahm stellvertretend für die Awo Quedlinburg Herbert Staadt entgegen. Sonst ist er als Lebensmittel-Fahrer für die Harzer Tafel unterwegs. Auch der Wernigeröder Siegfried Siegel sollte eigentlich geehrt werden, fehlte aber ebenfalls - aus triftigem Grund. Der Vorsitzende der evangelischen Synode für den Harzkreis absolvierte zur gleichen Zeit gerade seinen Einsatz für die Bergwacht auf dem Brocken. Damit konnte er nicht nur das Wetter aus nächster Nähe beobachten, sondern musste auch auf das leckere Mahl nach der Ehrung verzichten.

So geht es den Ehrenamtlichen immer wieder: Selbst bei einer Ehrung ziehen sie den freiwilligen Dienst vor.