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Quedlinburg Quedlinburg: Beigaben im Grab stammen aus verschiedenen Kulturen

22.04.2010, 13:07

Quedlinburg/MZ. - "Das ist schon etwas Besonderes", sagt Grabungsleiterin Judith Blödorn mit Blick auf die Bestattung, die bei Grabungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie auf der Trasse der künftigen Ortsumgehung Quedlinburg freigelegt wurde: Im Grab des hier bestatteten Mannes, der wegen der Art seiner Bestattung in Nord-Süd-Ausrichtung, den Blick nach Osten gewandt, zur Glockenbecherkultur gehörte, wurden sowohl der dafür typische Glockenbecher gefunden als auch eine Steinaxt, welche für die schnurkeramische Kultur typisch ist.

Alte DNA soll Antwort geben

Beide Gruppen - die von der Iberischen Halbinsel bis weit über unseren Raum hinaus verbreitete Glockenbecherkultur und die von Russland bis Frankreich verbreitete schnurkeramische Kultur - lebten in der späten Jungsteinzeit komplett nebeneinander. Doch das jetzt unweit der Magdeburger Straße entdeckte, aus dem Zeitraum von 2 800 bis 2 200 vor Christus stammende Grab gibt nun Hinweise auf eine Vermischung. Dass es Beigaben beider Kulturen enthält, "zeigt uns, dass sie einander bewusst wahrgenommen haben und dass es eine Verbindung gegeben hat", so Judith Blödorn. "Das wirft interessante Fragen auf", sagt Projektleiterin Dr. Susanne Friederich. "Ist es ein Glockenbecher, der bei den Schnurkeramikern Fuß fassen konnte, oder umgekehrt?" Eine Frage, die nun mit Hilfe von alter DNA, welche aus dem Zahnmaterial entnommen wird, geklärt werden soll.

Mehr als 2 000 Befunde haben die zeitweilig bis zu 50 Mitarbeiter des Grabungsteams bei den Untersuchungen, die seit Oktober vergangenen Jahres liefen und deren Ergebnisse gestern Nachmittag vorgestellt wurden, aufgedeckt, dokumentiert und ausgegraben. Zunächst, so Dr. Susanne Friederich, war die sieben Kilometer lange Trasse, welche über seit jeher intensiv genutzten alten Siedlungsgrund führt, auf Qualität und Quantität der archäologischen Fundstellen untersucht worden. In zwei ausgedehnten Bereichen wurden dann flächendeckende Dokumentationen durchgeführt.

Entdeckt wurden Befunde aus der Zeit von 4 000 vor bis 500 nach Christus, darunter Grubenhäuser, Brunnen, Abfallgruben, Koch- und Vorratsgruben und auch rund zehn Bestattungen. Darunter ist beispielsweise eine aus dem Zeitraum Ende Jungstein- / Übergang Bronzezeit, in welcher der Tote nicht wie üblich in Schlafhaltung auf der Seite, sondern auf dem Rücken liegend, die Arme auf den Bauch gelegt, bestattet wurde. Verfärbungen im Erdreich verweisen darauf, dass es einen Einbau aus Holz um den oder die Tote herum gegeben hat, erläutert Judith Blödorn. Zu den zahlreichen Fundstücken auf den Grabungsflächen, die eine intensive Besiedlung und Nutzung des Areals beweisen, gehören auch viele Gefäße aus der Bronzezeit.

Fundmagazin öffnet die Türen

Bis Ende April sollen die Grabungen abgeschlossen sein; dann wird die Trasse an die Baufirma übergeben. Beendet ist die Arbeit der Archäologen aber noch nicht. In den kommenden Wochen werden die Fundstücke noch genauer untersucht, inventarisiert und gereinigt. Und das erfolgt vor Ort: im Quedlinburger Wipertihof, wo ein Fundmagazin eingerichtet wurde. Das wird sich künftig auch regelmäßig für alle Quedlinburger und anderen Interessenten öffnen: Ab dem 5. Mai, immer mittwochs von 11 bis 12 Uhr, werden Fundstücke gezeigt und informieren Judith Blödorn und ihr Team über die neuesten Ergebnisse, kündigte Dr. Susanne Friederich an.