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Quedlinburg Quedlinburg: Ballettstunden für Ann Kristin

Von MARIA BÖHME 07.06.2011, 14:34
Mit ihrer Sport- und Tanzschule hat sich Susann Miltzow eine neue Existenz aufgebaut. (MZ-FOTO: CHRIS WOHLFELD)
Mit ihrer Sport- und Tanzschule hat sich Susann Miltzow eine neue Existenz aufgebaut. (MZ-FOTO: CHRIS WOHLFELD) Photo by: Chris Wohlfeld

QUEDLINBURG/MZ. - Das Treppenhaus, durch welches man zur Tanz-Sportschule "Elements", gelangt, ist in einem satten Fuchsia-Ton gestrichen. Wände, Fußboden und Decke des Tanzsaals dagegen erstrahlen in reinem Weiß.

300 Quadratmeter umfasst die Fläche der Tanz-Sportschule im Wipertihof insgesamt - die heute 43-jährige Quedlinburgerin hat sie in Eigenregie saniert. Die drahtige Frau kann zupacken. Ihre Oberarme sind muskulös, ihr Körper ist straff.

Mittlerweile zieren liebevoll arrangierte Aufnahmen von jungen Tänzern sowie Plakate der Galas, die Miltzow auf die Beine gestellt hat, die Wände des Flurs. Von ihm gehen Umkleideräume, Tanzsaal, kleine Küche und Toiletten ab.

Einige der Fotos im Flur zeigen die 15-jährige Ann Kristin im Ballettdress und in anmutiger Haltung. Sie ist eine der beiden Töchter von Miltzow. Die allein erziehende Mutter verrät: "Eigentlich habe ich die Schule für meine große Tochter gegründet." Schon früh entdeckte die Mutter deren Begabung. Bereits als Fünfjährige zeigte sie soviel Freude an der Bewegung, dass ihre Mutter sie fördern wollte. Deshalb entstand die Idee, eine Tanzschule zu eröffnen.

Im Frühjahr 2001 war es dann soweit. Miltzow ist ausgebildete Tanztrainerin und war zu dieser Zeit arbeitslos. Mit der Schule schuf sie sich eine Perspektive und ihrem Kind eine Trainingsmöglichkeit.

Die darauf folgenden fünf Jahre brachte sie ihrer Tochter das Balletttanzen bei, so gut, dass die damals Elfjährige die Aufnahmeprüfung für die Staatliche Ballettschule in Berlin bestand. Dann hieß es Koffer packen; die nächsten Jahre hätte die Tochter im Internat der Ballettschule verbringen sollen. Nach einem Vierteljahr aber kehrte Ann Kristin nach Quedlinburg zurück, das Heimweh war zu groß gewesen. Heute geht sie in die neunte Klasse des GutsMuths-Gymnasiums und ist fester Bestandteil der Tanzstatisterie des Ensembles des Nordharzer Städtebundtheaters.

Den Traum, Tänzerin zu werden, hat sie immer noch. Und die Tanzschule ihrer Mutter ist mittlerweile fester Bestandteil der Tanzsportkultur in der Region geworden.

Susann Miltzow und ihre Mitarbeiterin Kirstin Kunze, die dreieinhalb Stunden wöchentlich arbeitet, trainieren 120 jüngere und ältere Tanzbegeisterte aus dem Altkreis Quedlinburg in 13 Gruppen. Tänzerische Früherziehung, Sportakrobatik, Hip-Hop, Ballett, klassischer und zeitgenössischer Tanz, Standard sowie Latein stehen auf dem Programm. Mit der Auslastung ihrer Schule ist sie zufrieden.

Eines der ersten Kinder, die sich bei Miltzow vor zehn Jahren anmeldeten, war die heute 18-jährige Marina Beisel. "Mit acht Jahren habe ich angefangen bei Frau Miltzow zu tanzen, jetzt muss ich leider aufhören, weil ich zum Studieren gehe", sagt die Abiturientin aus Bad Suderode traurig. Früher habe sie manchmal ans Aufhören gedacht, weil das Training so anstrengend gewesen sei. "Aber Frau Miltzow hat mich immer zum Weitermachen animiert. Sie hat mir tänzerisch und persönlich so viel gegeben." Miltzow sei eine strenge aber sehr fähige Lehrerin gewesen, die stets mit Liebe und Leidenschaft bei der Arbeit gewesen sei, sagt die junge Frau. "Sie ist uns immer auf Augenhöhe begegnet, oft haben wir zusammen gelacht", erinnert sich Beisel.

Doch Miltzow ist nicht nur Tanztrainerin: "Ich bin alles in einem - Tanzlehrerin, Buchhalterin, Geschäftsführerin, Putzfrau und Schneiderin." Kein Wunder, dass da kaum Zeit für ein Privatleben bleibt. "Dies ist ein familienunfreundlicher Job", erklärt sie ihre Situation mit nachdenklichem Blick, "man muss dafür brennen, sonst kann man diese Arbeit nicht machen".

Doch Miltzow hat die Entscheidung, sich selbstständig zu machen, nie bereut. "Trainerin zu sein, war immer mein Ziel", sagt Miltzow. Sie hat in Leipzig an der Hochschule für Körperkultur Sportwissenschaften studiert. Ihr Schwerpunkt lag auf Sportarten wie rhythmische Sportgymnastik und Turnen. Mit der Wende wurde ihr Vertrag als Trainerin im Sportclub Leipzig hinfällig. Rund fünf Jahre unterrichtete sie anschließend in Graz und Wien rhythmische Sportgymnastik. Nach einer Zwischenstation in Berlin kehrte die gebürtige Quedlinburgerin in ihre Heimatstadt zurück.

Der Neuanfang fiel ihr schwer. Mit verschiedenen Jobs hielt sie sich über Wasser, wurde arbeitslos und gründete die Tanz-Sportschule. "Ich wollte etwas machen, was ich kann." Auf die Frage, wie sie sich ihre Zukunft vorstellt, antwortet sie: "Ich plane mein Leben nicht." So lange wie ihr Körper mitmacht, wolle sie arbeiten. Danach sei es ihr Wunsch, mehr Zeit für ihre Familie zu haben: "Dann will ich für sie Kuchen backen."