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Projekte am Arbeitsmarkt Projekte am Arbeitsmarkt: Pünktlich fleißig und gewillt

Von Uwe Kraus 26.11.2015, 20:29
Yana Rizova ist ein MobiPro-Azubi. Sie lernt im Morada-Hotel in Alexisbad.
Yana Rizova ist ein MobiPro-Azubi. Sie lernt im Morada-Hotel in Alexisbad. Chris wohlfeld Lizenz

Halberstadt - 2,07 Meter groß, Schuhgröße 52, so einen jungen Mann übersieht niemand. Dare Draksler heißt er und kommt aus Slowenien. Er weiß was er will: nochmal drei Jahre Lehre im Harz, dann alle Qualifikationen, um ein Hotel zu leiten. In Deutschland, da ist er sich sicher. „Sorry, im Harz nicht, der Brocken hat zu wenig Pisten für mich als Ski-Fahrer.“ Auch Yana Rizova, die 26-Jährige aus Bulgarien, will nach ihrer Ausbildung in Deutschland bleiben. Ob in Sachsen-Anhalt, sie weiß es nicht. Ihr Mann hat ihr gesagt, sie soll etwas machen, ihren Zielen folgen, um etwas zu erreichen. „In Bulgarien macht fast jeder einen gymnasialen Abschluss, Studieren ja, aber die Berufschancen sind dann schlecht.“

Dare und Yana gehören zu den 13 jungen Menschen, die auf die „Alternative Deutschland“ bauen. Im Projekt „MobiHarz“ absolvieren sie eine Lehre. Anke Oberth, Projektverantwortliche von der Akademie Überlingen, zählt auf: „Hotel- und Gaststättenbereich, ein Elektroniker, Metallbauer und Industriemechaniker, wir sind breit aufgestellt.“ Nach vier Monaten in Deutschland seien die Teilnehmer kommunikativer geworden, sind aufgeschlossen.“ Alle sechs Monate nur nach Hause zu fahren, das sei schwierig. Vier andere Teilnehmer seien nach dem Praktikum im Sommer nach Hause gegangen. „Die Sprachkenntnisse…“ Schließlich gilt das Sprachniveau B 1, damit muss man sich über Alltagsdinge austauschen können, als Messlatte, aber wer einen Beruf erlernt, sollte das Vokabular aus der Branche beherrschen. Ein Knackpunkt, den auch Jörg Reimann von den Berufsbildenden Schulen in Wernigerode ausmacht. „Wir haben mehrere Jahre Erfahrungen mit Lehrlingen aus ganz unterschiedlichen Ländern, Norwegen, Spanien, Niederlande, jetzt Slowakei, Slowenien oder Bulgarien. Es kommt auf das Verstehen dessen an, was gelernt wird.“

Dare Draksler lobt, dass Fachsprachlehrer zur Verfügung stehen, Anke Oberth verweist auf Sprachkurse nach der Schule. Nicht immer einfach nach acht Stunden Unterricht.

Der erfahrene Pädagoge Reimann weiß auch um die anderen Probleme. „Wer in der Gastronomie arbeitet, tut das nicht nur in Wernigerode oder Quedlinburg, sondern ganz weit weg in einem Tal im Oberharz. Die Welt des Kreises geht von Ballenstedt bis zum Brocken und nicht jeder Ausbildungsbetrieb kann es sich leisten, den Azubis einen Betriebswagen zur Verfügung zu stellen, damit sie zur Berufsschule kommen.“ Für den Berufsschullehrer verfügen die EU-Auszubildenden über wichtige Voraussetzungen. „Sie sind älter, bringen ein gerüttelt Maß Lebenserfahrung mit. Viele haben schon hochwertige heimische Abschlüsse, die zumeist in Deutschland nichts gelten. Aber damit beweisen sie, sie haben Ehrgeiz bewiesen, um zum Ziel zu kommen.“

Worte, denen sich Anne Seibt vom Harzer Industrieservice nur anschließen kann. „Wir sind ohne jede Erwartungen an die Ausbildung herangegangen. Unsere Firma hatte den letzten Azubi 2009. Wir suchen Nachwuchs, aber finden keinen: Die einen wollen nicht, die anderen besitzen nicht mal die Grundvoraussetzungen. Allein, dass wir mit unserem Mateo jetzt einen Lehrling als Elektroniker für Gebäudetechnik gefunden haben, ist schon ein Mehrwert fürs Unternehmen. Dazu kommt, er ist pünktlich, fleißig und gewillt; Eigenschaften, die wir bei unseren Bewerbern in den vergangenen Jahren nicht gefunden haben.“

Dare Draksler ist sich sicher, „zusammen schaffen wir es“. Auch wenn es mal Arbeitszeit- und Motivationsprobleme im Ausbildungsbetrieb gibt. „Viele Probleme, viele Lösungen“, meint er und dankt den Unterstützern um Anke Oberth. „Wir sind gut angekommen, so verschieden sind unsere Kulturen ja nicht.“ Deutsche Kumpel habe er auch schon.

Mechthild Jürgens sieht solche Projekte als Ansatz, um anderen EU-Ländern mit Jugendarbeitslosigkeit bis 60 Prozent neue Wege aufzuzeigen. Auslandserfahrungen werden wert geschätzt. „IdA könnte zum Modell für andere Mitgliedsstaaten werden. Wir müssen den Rahmen abgleichen, was die Förderung betrifft“, so die Frau aus dem Bundesministerium.

Wie das in der Praxis läuft, erzählen junge Leute, die zu zehnt demnächst nach Südengland aufbrechen. Ihr Betreuer Christian Wurzendorf bespricht in den kommenden Tagen mit dem Partner vor Ort, der Tellus Group, wo die Praktikanten zum Einsatz kommen.

Maximilian Baum möchte in seiner Branche, dem Gaststättenwesen, bleiben. Benjamin Schneider rechnet sich nach seiner Rückkehr bessere Jobchancen in Deutschland aus. „Ich hoffe auf ein Praktikum als Kaufmann in der englischen Automobil-Branche.“ Lisa Felgentreff erzählt: „Der kulturelle Sektor wäre schön oder Öffentlichkeitsarbeit.“

Wenn Unternehmen oder Jugendliche Interesse an den Arbeitsmarktprojekten haben, können sie sich in der Akademie Überlingen bei Niederlassungsleiterin Katja Feldmer melden, Telefon 03943/9 22 20 (mz)