21 Jahre Viagra: Potenzmittel in Adler- und Ratsapotheke Quedlinburg: Viele Patienten kommen von auswärts

Quedlinburg - Mit einer eckigen blauen Pille brach – nach der Antibabypille in den 1960ern – die zweite sexuelle Revolution aus: Viagra. Der Pharmakonzern Pfizer brachte die Erektionshilfe am 27. März vor 21 Jahren auf den US-Markt. Ein halbes Jahr später kam das Medikament, das ursprünglich gegen Bluthochdruck entwickelt worden war, auch in die deutschen Apotheken.

Dort lief der Verkauf zunächst nur sehr schleppend, kostete eine Packung mit 30 Tabletten doch mehr als 900 Deutsche Mark – gut 30 Mark pro Tablette. Heute bekommt man Tabletten mit dem Viagra-Wirkstoff Sildenafil schon für gut 2 Euro je Pille.

Ein Einschnitt war das Jahr 2013, als Pfizer das Patent auf Sildenafil verlor und Nachahmer auf den Markt drängen konnten. Mit dem sinkenden Preis stieg gleichzeitig die Nachfrage – zunächst. Der Absatz gehe momentan zurück, weil viele Männer – vermutlich aus Scham – das Medikament online bestellten, sagt Apothekerin Katrin Riemay.

Sie ist die Inhaberin der Adler- und Ratsapotheke in der Quedlinburger Innenstadt. Sie warnt: „Am Hamburger Hafen werden Unmengen an gefälschten Produkten aus dem Verkehr gezogen.“ Aber alles könne gar nicht gefunden werden. Vor fünf Monaten gab es eine weltweite Überprüfung des Onlinehandels mit Arzneimitteln, die von Interpol initiiert wurde: Eine Million Briefe und Pakete wurden kontrolliert und 500 Tonnen illegale Produkte gefunden - hauptsächlich Potenz- und Nahrungsergänzungsmittel. Die chemischen Substanzen befanden sich zum Beispiel in Schokoladenriegeln.

Es könne gefährlich werden, Potenzmittel im Internet zu bestellen. „Es muss immer mit einem Arzt besprochen werden“, sagt Katrin Riemay. Weil es mit Viagra und Co. in Kombination mit anderen Medikamenten oder für Patienten mit Herzproblemen zu gefährlichen Komplikationen kommen kann, sind diese Produkte in Deutschland verschreibungspflichtig.

Oder ihre Wirkung verfliegt, weil Männer Filmtabletten mit hoher Dosis – die sie ohne Rücksprache mit dem Arzt gekauft haben – halbieren und der Wirkstoff an der Bruchstelle der Pille schon im Magen austritt und nicht erst im Darm.

Dass der Online-Handel und Schmuggel große Ausmaße angenommen hat, liegt am für die meisten unangenehmen Thema Erektionsstörung. Dabei ist mindestens jeder fünfte Mann davon betroffen. Katrin Riemay berichtet, dass acht von zehn Betroffenen, die Viagra oder ein ähnliches Produkt kaufen, nicht aus Quedlinburg kommen - sie besuchen nicht ihre Hausapotheke, sondern eine in einem Nachbarort.

„Die anderen haben ihre Scham überwunden.“ In der Adler- und Ratsapotheke gebe es einen Beratungsraum, in dem Männer und auch deren Frauen diskret ihre Fragen stellen können, bemerkt die Inhaberin.

Übrigens gebe es auch eine Handy-App, mit der Medikamente vorbestellt werden können. Sie brauchen dann nur noch schnell abgeholt zu werden.

Die Apothekerin aus Quedlinburg macht Männern, bei denen Viagra nicht anschlägt, Hoffnung: „Es gibt drei Wirkstoffe gegen Erektionsstörungen.“ Diese gibt es in Medikamenten verschiedener Hersteller und Stärken.

Sie basieren auf dem gleichen Wirkmechanismus: Es wird ein Enzym blockiert, das die verstärkte Durchblutung der Schwellkörper im Penis verhindert. Die blauen Pillen helfen Männern - und ihren Frauen - seit mehr als zwei Jahrzehnten. Wegen des Erfolgs wird weltweit am 27. März der Viagra-Tag gefeiert, dem Tag der Markteinführung. (mz)