1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Parfümeur Albert Baur: Parfümeur Albert Baur: Warum ein Schwabe eine Villa in Gernrode im Harz baute

Parfümeur Albert Baur Parfümeur Albert Baur: Warum ein Schwabe eine Villa in Gernrode im Harz baute

Von Rita Kunze 21.11.2017, 06:55
Albert Baur ließ die „Villa Irma“ in der Otto-Franke-Straße 23 in Gernrode für seine Familie bauen.
Albert Baur ließ die „Villa Irma“ in der Otto-Franke-Straße 23 in Gernrode für seine Familie bauen. Chris Wohlfeld

Gernrode - Aus den Kräutern des Bückebergs braut Albert Baur im 19. Jahrhundert ein Duftwässerchen zusammen: „Eau de Souderode“ soll er das Parfüm genannt haben, von dem heutzutage aber nicht mehr existiert als die Legende. Tatsache ist, dass Bauer als reicher Mann in die Region kam, heiratete und eine Villa bauen ließ. Die Stadt Gernrode machte ihn 1931 zu ihrem Ehrenbürger - was heute kaum noch jemand weiß. Wie überhaupt wenig überliefert ist von einem Mann, der die Welt des Parfums revolutionieren sollte.

Aus der Vergessenheit geholt

Kurt Stammberger hat Baurs Spur aufgenommen. Der ehemalige Mediziner ist Mitglied im Gernröder Kulturverein „Andreas Popperodt“, der in der Vergangenheit schon einige bedeutende Persönlichkeiten der Stadt aus der Vergessenheit geholt hat: den Sinologen Otto Franke (1863-1946), den Mineralogen Carl Friedrich Christian Mohs (1773-1839), den Chemiker und Mineralogen Karl August Friedrich Moldenhauer (1797-1866). Aber dieses Mal war es anders.

„Es war eine mühselige Arbeit, die er sich da aufgeladen hat“, resümiert Peter Brömel, der gemeinsam mit Kurt Stammberger und Karl Rasch die Geschichtsforschung im Verein betreibt. Dabei „hat immer einer den Hut auf“, sagt Brömel, „Kurt Stammberger war jetzt unser Spiritus Rector“. Allein schon ein Foto von Albert Baur zu finden, sei wirklich schwierig gewesen.

Baur wurde nämlich - anders als Franke, Mohs und Moldenhauer - nicht in Gernrode geboren, sondern im schwäbischen Biberach, am 13. April 1856. Herausgefunden hat Stammberger das durch den Blick in Kirchenbücher; im Trau-Register von St. Cyriakus steht es.

Doktorarbeit an der Universität Tübingen

Wo Baur studierte, wisse man nicht, er habe aber an der Universität Tübingen promoviert. „In Baurs Dissertation von 1883 mit dem Thema ‚Über zwei in der Harzessens vorkommende Butyltoluole‘ ist zu ersehen, wie intensiv er sich mit Aromaten beschäftigte und experimentierte“, sagt Stammberger. Baur habe die chemische Struktur des Benzols verstanden und geglaubt, „dass da noch viel mehr Energie drinsteckt als in Nitroglycerin.“ Der Sprengstoff wurde 1847 zum ersten Mal hergestellt.

„Auf dem Weg bei diesen Experimenten hat er künstlichen Moschus entdeckt“, so Stammberger weiter. Ein Welterfolg, den sich Baur 1888 patentieren ließ. Düfte ließen sich jetzt unglaublich günstig produzieren: Zahlten die Hersteller für ein Kilogramm tierischen Moschus bis dahin rund 6 000 Reichsmark, mussten sie für das künstliche Pendant lediglich 30 Reichsmark je Kilo aufbringen. Da ließen sich gute Gewinne machen, und Baur wurde ein reicher Mann. „Das Geschäft war offenbar so erfolgreich, dass er mit Mitte 30 keiner geregelten Arbeit mehr nachgehen musste“, sagt Stammberger. Allerdings verkaufte Baur sein Patent nach Frankreich. „Die deutsche Industrie erkannte den Wert dieser Erfindung nicht sofort.“

Weit verzweigte Netze

Auf der Spurensuche hat Kurt Stammberger weit verzweigte Netze geknüpft, den Hersteller von „4711“ angeschrieben, die Stadt Biberach und Kosmetikhersteller kontaktiert. Baur war zunächst Direktor einer Chemiefabrik in Gispersleben, heute ein Stadtteil von Erfurt. Stammberger nahm Kontakt auf, „aber die Stadt hat erst ab Anfang der 1920er Jahre ein Gewerbeverzeichnis geführt, deswegen habe ich dort nicht viel erfahren“. Aber er hat es geschafft, eine Kopie der Patentschrift zu beschaffen, die das kaiserliche Patentamt am 21. Mai 1889 ausgegeben hat. Sie ist auf der Informationstafel zu sehen, die in der Alten Elementarschule Gernrode mit Albert Baur bekannt macht.

Allerdings werden Gernröder und Besucher auch immer dann an den Chemiker erinnert, wenn sie an der Otto-Franke-Straße auf die imposante „Villa Irma“ blicken. Das Haus ließ Bauer Anfang der 1890er Jahre für seine Familie errichten; er hatte 1893 die Tochter des Apothekers Hugo Münzel aus Bad Suderode geheiratet, und das neue Haus benannte er nach seiner Ehefrau.

Vielleicht komponierte er für sie ja auch das „Eau de Souderode“, womöglich aus den Essenzen von Rosmarin, Salbei und Weihrauch, eben jenen Kräutern, die er auf dem Bückeberg anbaute. Vielleicht machte er daraus aber auch ein Flohpulver. Das soll er jedenfalls erfunden haben.

Spendabler Bürger

Baur fühlte sich auch verantwortlich für den Ort, in dem er nun lebte. „Er war einer derjenigen, die dazu beigetragen haben, dass genug Geld da war für den Aufbau des Rathauses“, sagt Peter Brömel. Die Stadt machte ihn 1929 zum Ehrenbürger. Baur war ein geachteter Mann: Er gehörte zum Gemeindekirchenrat, zum Direktorium der städtischen Sparkasse, war stellvertretender Bürgermeister und Vorstandsmitglied der 1894 eingerichteten „Kleinkinderbewahrungsanstalt“, außerdem Mitglied im Harzklub-Zweigverein. Für den Sitzungssaal des Rathauses stiftete er ein Relief des anhaltischen Herzogs und besorgte der Stadt nach einem Hausbrand eine neue Feuerwehrspritze.

Baurs Erfindung hat die Welt der Düfte verändert - Moschusnoten finden sich selbst im Waschpulver -, aber auch die Umwelt. Künstlicher Moschus gilt als gesundheitlich bedenklich, einige Varianten sogar als krebsverdächtig. „Ich wollte der Frage nachgehen und habe Kosmetikhersteller angeschrieben, aber keine ganz eindeutige Antwort bekommen“, sagt Kurt Stammberger. (mz)