Ostereier-Perforation Ostereier-Perforation: Ines Rößler schafft zerbrechliche Kostbarkeiten
Ditfurt - Eijeijei, das ist nichts für schwache Nerven: Ein falscher Handschlag - und dann war’s das. Dann könnte Ines Rößler einpacken. Oder: Noch mal von vorn anfangen. Bis zu vier Stunden Arbeit, sie wären dann für die Katz gewesen. Das passiere ihr aber zum Glück nicht so oft. Also: Nicht mehr so oft, sagt die 52-Jährige, lacht und legt den Bohrer beiseite, mit dem sie gerade einen Zahn „behandelt“ hat. Auf ihre ganz eigene Art. Die Ditfurterin vermag es nämlich, stinknormale Eier - Hühnereier, Gänseeier, Enteneier - in Kunstwerke zu verwandeln. Indem sie deren Schale rundherum zigfach durchlöchert. Millimeterarbeit ist das. Vor allem aber eine zerbrechliche Angelegenheit. Und weil sie seit Neuestem dafür die gleichen Aufsätze in ihr Werkzeug einspannen kann, wie es Zahnärzte zu tun pflegen, bekommt der Doktor dafür eben direkt ein eirundes Dankeschön - mit Zahnmotiv natürlich. Was sonst?
Nun, der Kreativität sind da im Grunde genommen keine Grenzen gesetzt. Die Eier dienen - verziert mit einem Häschen - als Osterschmuck, die mit Sternen machen sich am Weihnachtsbaum gut und Schmetterlinge als Frühlingsdeko. Herzen gibt’s zur Hochzeit und Fußabdrücke zur Geburt. Unlängst, da hat Rößler gar die Hausneindorfer Kirche abgebildet. Wohlgemerkt, nur auf der Vorderseite. Auf der Rückseite musste noch eine Notenzeile Platz finden. Kein Ding, meint sie verschmitzt: „Man muss es nur klein genug machen oder das Ei groß genug wählen.“
Rößler holt ihre kleinen Meisterwerke aus allen Ecken im Haus. Eine Schale hier, ein Karton dort - und dann ist da noch die große Munitionskiste, in der inzwischen statt der Schmiedewerkzeuge ihres Partners Eier lagern, in Watte gepackt. Darunter ein Exemplar mit Kurbel, die dazu dient, ein Spruchband auszurollen und wieder ins Ei zu drehen, und ein Gutsch-Ei-n. Mit einem Loch im Schalenmuster, das gerade groß genug ist, um ein Stück Papier in der Größe eines Zehn-Euro-Scheins gefaltet darin verschwinden zu lassen. Hinter einem Schleifchen, dessen in die Bohrlöcher eingefädeltes Band die Schale zusammenzuhalten scheint. Welch filigranes Gebilde! Man wagt es fast nicht, es zu berühren.
Kaum zu glauben: Rößler ist erst vor nicht mal einem Jahr aufs (perforierte) Ei gekommen. Und das auch mehr oder weniger zufällig. „Ich habe das in einer Zeitschrift gesehen“, erzählt sie, die sich beim Anblick der Perforation spontan an Mutters Tischdecken mit Lochmuster erinnert fühlte. Doch angucken und machen - das sind ganz einfach mal zweierlei Paar Schuhe. Und aller Anfang ist schwer, wie sie feststellen musste. Allein um herauszufinden, an welcher Stelle man den Dremel ansetzen muss, damit die Schale nicht gleich zerspringt... Wie viele Eier dabei zu Bruch gegangen sind? Rößler winkt ab.
Zumal ja Ei auch nicht gleich Ei ist. „Alle sind anders, anders rund, anders lang, anders dick“, zählt sie auf. Gänseeier sind größer als die von Hühnern, die noch kleineren Enteneier glatter. „Da rutscht man auf der Oberfläche schneller weg.“ Und wie sieht es mit Straußeneiern aus? „An die habe ich mich bisher nicht herangetraut.“ Kommt aber. Zwei bereits ausgeblasene Exemplare liegen bereit. Die ersten Ideen hat sie im Kopf.
„Ich brauche immer ein bisschen was zum Werkeln, ich bastele sehr gern und mag es, wenn etwas Greifbares dabei herauskommt“, sagt Rößler, die fast jeden Abend nutzt, um vorzuzeichnen, die Skizzen vom Papier auf die Schale zu übertragen, die Lochmuster ins Ei zu bohren oder mal eben ein paar Holzanhänger für die Kette in Form zu schmirgeln, so dass die Maserung richtig schön herauskommt. Das kreative Tun, es ist Ausgleich zu ihrem Bürojob. „Es beruhigt mich ungemein. Wenn ich dann etwas fertig habe und es gut gelungen ist, kann ich ganz beruhigt ins Bett gehen.“ Und anderen mit dem Tagwerk dann irgendwann eine Freude bereiten. Seit Rößler Eier perforiert, weiß sie immer, was sie verschenkt. Ganz gleich zu welchem Anlass. Vielleicht, sagt sie, werde sie eines Tages auch ein Gewerbe anmelden, um die empfindlichen Kostbarkeiten verkaufen zu können. „Aber dann wäre das Hobby Pflicht.“ Nun, man muss ja nichts übers Knie brechen.
Sollte man beim Eierperforieren übrigens auch nicht. „Man darf nicht zu schnell machen, nicht mit Macht etwas wollen“, erklärt sie. Ja, ja, die liebe Zerbrechlichkeit. „Geht ein Steg kaputt, ist alles vorbei.“ Wobei: Nicht immer. Mitunter lässt sich aus dem gebrochenen Ei noch eine Mini-Vase machen. Mit ein bisschen Steckmasse. Blümchen rein. Fertig.
